Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
gab auf – langsam zog er sich zurück.
Als er sich weit genug entfernt hatte, rief Mathias: »Los, schnell zu den Pferden!«
Die hatten nun wohl begriffen, wie gefährlich es hier war, zeigten sich überaus eifrig und kamen plötzlich ganz gut mit dem Schnee zurecht. Tapfer hoben sie die Hufe, um so schnell wie möglich dort wegzukommen.
Nach ein paar Meilen sahen sie sich nach dem großen Baum und der Hütte darunter um, aber es war dunkel, kein Mond leuchtete ihnen, und sie befürchteten schon, dass sie die Hütte vielleicht erst bei Tagesanbruch finden würden und die ganze Nacht frierend auf dem Rücken ihrer Pferde zubringen mussten. Wenigstens halfen ihnen die beiden Fackeln, die sie dabeihatten, dass sie nicht vom Weg abkamen.
»Wir sind bestimmt schon an der Hütte vorbei«, seufzte Alix. »Césarine ist müde, sie ist am Ende ihrer Kräfte.«
»Ich glaube, Hector kann auch nicht mehr. Wahrscheinlich sind seine Hufe fast erfroren. Wenn wir sie nicht bald aufwärmen können, werden sie steif, das Blut kann nicht mehr zirkulieren, und er kriegt vielleicht Wundbrand.«
Sie ritten noch ein Stück weiter, mussten dann aber bald Halt machen, Hector in den Schnee legen und seine Beine warmrubbeln und vielleicht sogar in eine mitgebrachte Decke wickeln.
»Sieh nur, Mathias!«, rief Alix plötzlich und deutete auf die Abzweigung nach Vendôme. »Wir haben die Hütte doch nicht verpasst.«
Sie schöpften noch einmal Hoffnung und redeten den Pferden gut zu, damit sie schneller gingen. Und endlich tauchte der große Baum im fahlen Licht von Mathias’ Fackel auf.
»Wir sind gerettet, Mathias!«, rief Alix. »Komm schnell, lass uns keine Zeit verlieren. Césarine will nicht mehr weiter.«
Sie musste absteigen und ihr Pferd an der Leine führen, um den Rest des Wegs zurückzulegen.
»Komm schon, meine Gute, gleich haben wir’s geschafft! Und in der Hütte ist bestimmt Platz genug für uns alle.«
Mathias, der Hector schon eine ganze Weile führte, ging sehr vorsichtig. Die Pferde schienen zu spüren, dass sie nicht mehr lange durchhalten mussten, und strengten sich noch einmal an.
Von dem riesengroßen Baum, der vor ihnen in den weißen Himmel ragte, sah man weder den mächtigen Stamm noch die schwarzen Äste oder die Krone. Wie ein gewaltiger weiß verschneiter Felsen stand er da, und noch konnte man nicht sagen, ob die Hütte, die sich unter ihn duckte, sicheren Schutz bot.
Mit Bedacht setzte Alix einen Schritt vor den anderen, als sie plötzlich ein metallenes Klicken hörte und laut aufschrie. Trotz der eisigen Kälte war sie auf einmal schweißgebadet.
»Ich bin in eine Falle getreten«, sagte sie leise, bleich vor Angst.
Mathias hatte Hector losgelassen und war zu ihr gelaufen. Mit zitternder Hand strich er ihr über die Stirn und schob ihr die große Kapuze aus dem Gesicht.
»Bist du verletzt?«, fragte er sie mit erstickter Stimme. »Lass mich sehen.«
Alix wollte ihren Fuß hochheben, aber er ließ sich nicht bewegen. Ihr Knöchel wurde schrecklich heiß, während ihr kalter Schweiß den Rücken hinunterlief.
»Bitte hilf mir, Mathias!«, stöhnte sie.
Er bückte sich, um die Falle zu untersuchen, und seufzte erleichtert, als er feststellte, dass sie nur das Leder von Alix’ dickem Winterstiefel in die Zange genommen hatte. Er zog an ihrem Fuß, was aber nur dazu führte, dass sie vor Angst schrie. Er musste sein Messer nehmen und den Stiefelschaft aufschneiden, ehe er den ganzen Schuh aus der Falle ziehen konnte.
Alix war befreit. Dankbar und erleichtert sahen sie sich an und wären sich beinahe in die Arme gefallen. Doch gleich verschwand wieder jede Regung aus Mathias’ Blick, und er meinte ganz sachlich: »Die Jäger haben uns gewarnt, dass sie überall Fallen aufgestellt hätten. Wir hätten besser aufpassen müssen.«
Alix hatte sich wieder gefasst. »Wir müssen uns beeilen! Besser wir sehen zu, dass wir in die Hütte kommen, ehe uns noch etwas anderes zustößt.«
Das Durcheinander in der Hütte verwunderte sie nicht, aber sie waren angenehm überrascht, wie groß der Raum war. Die Hälfte des Bodens war mit Stroh bedeckt, das vom letzten Feuer noch warm war. Vermutlich diente die Hütte früher als Stall – jedenfalls konnten sie die Pferde mit hineinnehmen. In der anderen Hälfte gab es eine Feuerstelle aus großen Steinen und sogar noch ein wenig Holz.
Mathias wollte zuallererst Alix’ Fuß untersuchen.
»Nicht nötig!«, protestierte die, »mein Fuß ist nicht
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