Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
nach dem Gemetzel zurückgezogen haben?«
»Ja, alle zogen sich sofort zurück.«
»Und wie haben sie der Belagerung standgehalten? Wie …«
»La Marck!«, hörte er plötzlich jemand rufen.
Robert drehte sich um und entdeckte Bonnivet, der ihn verzweifelt gesucht hatte und sichtlich erhitzt und mit ausgebreiteten Armen auf ihn zukam.
»Da steckst du ja!«, rief er aufgeregt, »ich suche dich schon seit einer Ewigkeit. Was machst du denn?«
»Ich bat Messire d’Amboise, mir seine Eindrücke von der Schlacht von Agnadello zu schildern.«
»Oh, Seigneur d’Amboise! Stellt Euch vor, François versucht uns die ganze Zeit dafür zu begeistern, gemeinsam mit ihm am nächsten Feldzug des Königs teilzunehmen!«
»Das dürfte mehr als wahrscheinlich sein. Er braucht tapfere Rekruten voller Tatendrang. Ihr dürft es nicht an Mut fehlen lassen, und Eure Waffenmeister werden jeden Tag mit Euch üben.«
Er sah sich nach seiner Frau um, die sich mit den Hofdamen der Königin, den Demoiselles de Rohan und de Graville unterhielt.
Zweifellos war Jeanne d’Amboise die Älteste in der Runde, denn während die Zofen der Königin höchstens zwanzig Jahre alt sein mochten, hielt man Jeanne eher für Anfang dreißig. Sie war weder besonders schön noch anmutig, nur die vornehme Haltung entsprach ihrem hohen Rang.
»Zu schade, dass Eure Frau auch hier ist, Messire d’Amboise«, sagte Bonnivet leise, »die kleine de Rohan hat Euch gerade sehr verwegene Blicke zugeworfen und hoffte gewiss auf eine Antwort. Warum habt Ihr sie nicht erwidert?«
»Weil ich keine Lust dazu habe.«
»Das erstaunt mich aber«, meinte Bonnivet, kam näher und flüsterte: »Eure Treue steht jedenfalls nicht mehr auf dem Spiel, so gesehen kann ich es nur für gut befinden.«
»Genug damit!«, entgegnete d’Amboise schroff. »Ihr solltet wissen, dass man solche Gespräche nur unter vier Augen führt. Wenn ich mich nicht irre, blicken hier jedoch ein paar hundert Augen auf uns.«
»Und nun gehe ich weder zu meiner Frau noch zu Demoiselle de Rohan«, sagte er und grüßte knapp, »sondern an die frische Luft, weil es hier drin entschieden zu heiß ist.«
Damit ließ er die beiden taktlosen jungen Männer stehen, die sofort zurück zu den Damen eilten, an die sie – zumindest für die Dauer der Festlichkeiten – ihr Herz verloren hatten.
François d’Angoulême war, in ein angeregtes Gespräch mit
Françoise de Foix vertieft, ihr so nahegekommen, dass er ihr vor lauter Leidenschaft einen Handkuss gab.
Bälle, Reifen und Stäbe flogen über den Tischen durch die Luft. Man klatschte den Jongleuren Beifall und verlangte lauthals nach weiteren kunstvollen Tricks.
Zu den Klängen von Hirten- und Querpfeifen versammelten sich die Akrobaten, verschlangen sich wie die Glieder einer Kette ineinander und bildeten mit ihren Körpern in bunten Trikots eine schwankende Pyramide, die alle Blicke auf sich zog.
Vor dem Saal unterhielt sich Charles d’Amboise mit dem Herzog d’Alençon über die wenigen Schlachten, die sie gemeinsam im Norden Frankreichs gekämpft hatten.
Louis XII. nahm Marguerites zierliche Hand und hielt sie einen Augenblick fest.
»Dieses prachtvolle Fest wird nur noch von Eurer strahlenden Schönheit übertroffen, meine liebe Herzogin«, sagte er mit glasigem Blick und bekam einen kleinen Schluckauf. Weil er seine Serviette verloren hatte, führte er mit unsicherer Bewegung einen Zipfel der Tischdecke zum Mund.
»Was meint Ihr, Duc d’Alençon?«, fuhr er fort und schob ungeduldig seinen Apotheker weg, der hinter ihm stand und vergeblich versuchte, ihn am Trinken zu hindern. Alle paar Minuten verlangte der König nach seinem Mundschenk und reichte ihm seinen leeren Kelch.
Marguerite wurde sonst wegen derartiger Komplimente nicht so schnell verlegen, spürte jetzt aber, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, was sicher auch daran lag, dass sie mehr Wein getrunken hatte, als sie gewohnt war, weil der Mundschenk des Königs auch ihr eifrig nachschenkte.
Charles d’Alençon, der gerade den letzten Bissen von seinem Stück Apfelkuchen zum Mund führen wollte, hielt irritiert inne und legte es wieder zurück.
»Natürlich schätze ich mich glücklich, eine so schöne Gattin zu haben, Sire«, antwortete er und versenkte zum ersten Mal seinen Blick in die porzellanblauen Augen seiner frisch Vermählten.
Endlich sieht er sie einmal richtig an, dachte Louise, die die beiden beobachtete. Aber er hat ihr noch immer kein einziges
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