Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
fest.
»Wir müssen schleunigst reagieren und noch vor Mathias’ Rückkehr eine Kinderfrau einstellen, die die Zwillinge Tag und Nacht betreut. Eigentlich wollte ich nichts überstürzen, aber jetzt ist Eile angesagt.«
»Wie sollen wir denn so schnell eine Person finden, der wir vertrauen können?«
»Ich reite nach Blois und bitte Louise und Marguerite um Hilfe. Wahrscheinlich werden sie sich mehr um Mathilde als um Valentine sorgen, doch das spielt keine Rolle – Hauptsache, sie helfen mir. Und ich bin mir sicher, dass sie eine zuverlässige Frau für mich finden.«
»Ich dachte, die beiden wären in Paris. Ist der Hof wieder im Val de Loire?«
»Die Hochzeitsfeierlichkeiten sind vorüber, und Les Tournelles ist nicht komfortabel genug, um sich dort länger aufzuhalten.
Der König konnte es wohl kaum erwarten, der jungen Königin seine Residenzen im Val de Loire zu zeigen.«
Der Abend verlief längst nicht so fröhlich wie sonst, und wären nicht das vergnügte Geplapper der beiden Kleinen, Pierrots lustige Einfälle und Nicolas gewesen, der Valentine ständig liebevoll anlächelte, hätte der Tag bestimmt ein trübsinniges Ende genommen.
Pierrot war wie stets zu Späßen aufgelegt und unterhielt sich mit Nicolas, der seine Aufregung nicht recht verstand.
»Sie ist ein hübsches Mädchen und gut ausgestattet mit ... Na ja, das verstehst du schon noch, wenn du größer bist.«
Aber Nicolas hörte ihm gar nicht zu. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, die Zwillinge zu beobachten, die gerade so taten, als wäre Mathilde Valentine und umgekehrt.
»Von wem redest du da, Pierrot?«, fragte Alix zerstreut.
»Von der jungen Frau, die heute hier war und gefragt hat, ob wir in der Werkstatt Arbeit für sie haben.«
»Aha, warum hast du sie nicht zu mir geschickt? Du weißt doch, dass wir in der zweiten Werkstatt Verstärkung brauchen. Arnaude kommt mit der Arbeit nicht mehr hinterher, und Julio muss auf Angela verzichten, seit ihre Tochter auf der Welt ist. Jemand muss ihre Arbeit machen.«
»Sie hat gesagt, dass sie morgen noch mal kommt.«
»Gut, dann schick sie bitte zu mir.«
Als die Mädchen im Bett waren, ging der Abend in gedrückter Stimmung zu Ende. Gleich am nächsten Morgen wollte Alix ihre Reise nach Blois vorbereiten, wobei sie immer wieder über Béraudes seltsame Formulierungen nachdenken musste. Irgendwie klang das nach einer spärlichen Rache, die kaum gelingen konnte. Aber wer wusste das schon!
Alix war in der Werkstatt, als sich die junge Arbeiterin vorstellte. Sie war groß und hübsch, vielleicht ein bisschen rundlich und einfach, aber ordentlich gekleidet; sie trug einen blauen Baumwollrock mit weißem Mieder und eine weiße Haube. Alix musterte sie kurz, und weil sie einen guten Eindruck hatte, kam sie gleich zur Sache:
»Wir brauchen eher eine Arbeiterin als einen Lehrling, und vom Alter her scheint Ihr mir zu passen. Was könnt Ihr?«
Die junge Frau lächelte Alix schüchtern an.
»Ich habe vier Jahre am Flachwebstuhl gelernt, musste aber nach meiner Heirat leider mit dem Arbeiten aufhören. Ich suche Arbeit, weil ich mir meinen Lebensunterhalt verdienen muss. Mein Mann ist tot, und ich habe meinen Sohn verloren.«
»Oh, das tut mir sehr leid«, sagte Alix betroffen. »Ihr müsst nicht darüber reden, wenn es Euch zu schwerfällt.«
»Ganz im Gegenteil«, meinte die junge Arbeiterin mit einem Seufzer, »irgendwie muss ich diesen schrecklichen Alptraum loswerden. Ich habe viel zu wenig darüber gesprochen. Es ist jetzt zwei Jahre her. Mein Sohn ist über Nacht an hohem Fieber gestorben. Und das war kurz nach dem Tod meines Mannes, der von einem durchgegangenen Pferd zu Tode getrampelt worden ist. Ich kann das alles einfach nicht vergessen.«
Sie begann zu weinen und trocknete sich die Tränen mit einem feinen Taschentuch, das sie im Ärmel stecken hatte.
»Bitte entschuldigt. Ich hätte mich nicht so gehen lassen dürfen. Aber Ihr könnt mir glauben, das kommt nicht mehr vor.«
»Ich verstehe Euren Kummer«, sagte Alix vorsichtig, »aber noch habe ich Euch nicht eingestellt.«
Die junge Frau sah sie flehentlich und irgendwie resigniert an. Sie seufzte wieder, zuckte die Achseln und meinte traurig:
»Ja, das stimmt. Niemand wird mich irgendwo einstellen. Was soll ich nur tun? Die Vorstellung, wieder als Weberin zu arbeiten, macht mir Angst. Es ist schon so lange her, dass ich zuletzt an einem Webstuhl gearbeitet habe. Vielleicht weiß ich gar nicht mehr, wie man die
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