Die Blut-Loge
demonstrativ, ihren Schreibtisch aufzuräumen.
Im Designeroutfit hätte Thilo Weinberg seine Kollegin bestimmt nicht wieder erkannt. Evi trug eine schwarze Hose und ein silbernes Paillettentop, das viel Rücken zeigte. Die schlanke Taille war mit einem breiten Gürtel betont. Den dazu gehörigen Blazer gab sie an der Garderobe ab. Diesmal trug sie ihr langes Haar aufgesteckt, nur zwei freche Strähnen reichten bis zum Schulteransatz hinunter. Schwarze Strassohrhänger konkurrierten in der Länge mit ihnen.
Das Make-Up betonte die großen, türkisblauen Augen und den sinnlichen Mund. Niemand hätte bei dieser bildhübschen Frau eine Polizistin vermutet. Kein Wunder, dass der Türsteher ihr auf Anhieb Einlass gewährte.
Evi wusste selbst nicht, was sie überhaupt hier im Exit to Nowhere suchte. Sie beschloss einfach, sich zu amüsieren. Die mehr oder weniger unbeholfenen Flirtversuche der anwesenden Männer ignorierte sie geflissentlich mit unterkühltem Charme. Ihre Drinks bezahlte sie selbst.
Es gelang ihr ganz gut, die kühle Blonde zu spielen, bis … sie in ein paar schwarze Augen sah, in denen sich die bunten Lichter der Diskothek nicht widerspiegelten. In diesem Augenblick verstummte die Musik in ihren Ohren.
Das Augenpaar, das sie dort unverwandt anstarrte, zog sie in den Bann. Es gehörte zu dem schmalen, glatt rasierten Gesicht eines hochgewachsenen Mannes, dessen halblange, leicht gewellten Haare bis auf die Schulter fielen. Dieses Gesicht hatte sie schon von einigen Werbeplakaten angelächelt. Die obersten Knöpfe seines schwarzglänzenden Hemdes waren geöffnet. Etwas an ihm erinnerte Evi an einen Piraten. Etwas Wildes, Unnahbares umgab diesen Mann, der sich jetzt auf sie zu bewegte. „Gestatten, Ruben Stark, Besitzer dieser Diskothek und so einigem Anderen“, stellte er sich mit einem gewinnenden Lächeln und einer angedeuteten Verbeugung vor.
Normalerweise hätte Evi bei so einem angeberischen Spruch Reißaus genommen, doch sie war unfähig, sich zu bewegen. Sie fühlte sich wie ein Teenager auf dem Schulball. Ihr Herz klopfte bis zum Hals
„Eine schöne Frau wie Sie gehört auf die Tanzfläche, um bewundert zu werden. Darf ich bitten?“, bat sie der Mann jetzt und nahm wie selbstverständlich ihre Hand, um sie auf die Tanzfläche zu führen. Seine ruhige Stimme duldete trotz aller Höflichkeit keinen Widerspruch.
Als hätte Ruben dem DJ ein Zeichen gegeben, legte dieser eine langsame Ballade aus den 80er Jahren. „I just died in your arms tonight“, sang die Cutting Crew. So kam Evi sich auch vor, als Ruben sie fest in den Arm nahm.
Die kesse Beamtin konnte nicht ahnen, dass dieser Mann über uralte, empathische Fähigkeiten seiner Rasse verfügte und diese bedenkenlos einsetzte, wenn es um eine schöne Frau ging. Mit seinem Mittelfinger strich er beim Tanzen sanft ihr Rückgrat entlang. Eine fast zufällige Geste, die er recht geschickt einsetzte.
Dadurch schmiegte sich der schlanke Frauenkörper unwillkürlich enger an ihn heran. Sie spürte seinen Atem bis in ihren Nacken und roch ein sündhaft teures Aftershave. Evi wusste gar nicht, wie ihr geschah. „Sind Sie das erste Mal bei uns im EXIT?“, fragte Ruben plötzlich.
Als hätte er damit einen seltsamen Zauber zerstört, zuckte Evi zusammen. „Ja, sicher“, sagte sie gedankenverloren. Wie konnte er sie nur so gemein aus ihrer Traumwelt herausreißen!
„Sie sind ja bestimmt jedes Wochenende hier“, stellte sie dann spröde fest. Wie hatte sie nur denken können, dass so ein toller Typ sich für sie interessierte. Der konnte doch ganz Andere haben. Aber Ruben hatte seine ganz eigene Taktik.
„Nicht immer, ich bin oft geschäftlich unterwegs und unsere neue Kampagne nimmt mich derzeit sehr in Anspruch.“, bemerkte er ganz businesslike. Innerlich amüsierte er sich königlich. Er hatte sofort gewusst, dass diese Frau noch nicht viele Männerbekanntschaften gehabt hatte und auch nicht so leicht zu erobern war. Er witterte außerdem, dass ihr Blut rein war von Chemie. Sie hatte also keinen festen Freund. Gut so!
„Darf ich fragen, was Sie beruflich machen?“, fügte er dann hinzu.
„Natürlich“, antwortete Evi nur und war froh, dass der Song endlich zu Ende war, „ich jage böse Buben, oder besser gesagt, ich bin Kriminalbeamtin.“
„Oh, ich bin beeindruckt. Und Sie selbst gehen niemals in die Falle?“, fragte er mit einem hintergründigen Ton der Stimme und einem herausfordernden Funkeln in den
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