Die Blut-Loge
Augen. Dabei hielt er ihre Hand immer noch fest und beugte sich zu ihr hinunter. Sie war einen halben Kopf kleiner als er.
„Verraten Sie mir Ihren Namen?“, fragte er direkt in ihr Ohr. Seine Nähe und dieser herb-männliche Geruch machten sie fast verrückt. „Evi. Evi Fischer“, antwortete sie gehorsam, obwohl sie das gar nicht wollte. „Und darf ich dich wieder sehen, Evi Fischer?“
Wieder war etwas in seiner Stimme, dem sie nicht widerstehen konnte. „Ich werde wiederkommen“, versprach sie mit heiserer Stimme und hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. Mit einem siegesgewissen Lächeln entließ Ruben sie in die Menge, durch die sie eilig in Richtung Ausgang strebte.
* * *
„Schon wieder eine“, begrüßte Thilo seine Kollegin am Montagmorgen. Evi sah ihn nur an, oder besser, durch ihn hindurch.
„Hallo… Erde an Venus!“, versuchte er, ihre Aufmerksamkeit zu wecken.
„Oh, ja, dir auch einen guten Morgen!“, murmelte Evi nur und begab sich an die Arbeit. Thilo starrte sie neugierig an. „Irgendwas, das ich wissen sollte?“
„Bitte?“
„Du bist so komisch heute Morgen!“
„Oh, sorry, ja ich… keine Ahnung, Kopfschmerzen“, druckste Evi herum. Thilo konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Wie heißen die Kopfschmerzen denn?“
„Blödmann!“, Evi warf eine Büroklammer nach ihm.
Auch bei der nachfolgenden Besprechung mit dem Chef der Abteilung war Evi eher ab- als anwesend. Die Ergebnisse bezüglich der „Duftmorde“ waren nach wie vor gleich Null. Sie wären es auch geblieben, hätte der Zufall ihnen nicht Armando Silva in die Hände gespielt. Bei der letzten Leiche waren seine Fingerabdrücke aufgetaucht. Er wurde noch am gleichen Tag in seinem Apartment verhaftet, und so fanden sich Evi und Thilo wenige Stunden später mit dem Latino im Verhörzimmer wieder.
Thilo Weinberg liebte es, bei so was den „bösen Bullen“ zu spielen. „Also, mein Junge, du kannst es dir einfach machen und auspacken, oder wir buchten dich lebenslänglich wegen Mordes ein“, versuchte er, den Spanier einzuschüchtern. „Ich habe damit nichts zu tun, glauben Sie mir. Ich kannte die Lady überhaupt nicht“, beteuerte dieser mit weinerlicher Stimme. „Ich bin ein Spieler, kein Mörder!“, rief er noch aus.
Evi übernahm jetzt die mütterliche Rolle. „Dann erzähl uns doch einfach mal, wie deine Fingerabdrücke auf die Uhr der Toten kommen. Wolltest du sie bestehlen?“
Armando schüttelte verzweifelt den Kopf. „Ich habe sie doch nur in den Club begleitet, sonst nichts. Ich hab sie am Arm festgehalten. Dabei muss ich an ihre Uhr gekommen sein“, gab er zur Antwort. „Das hört sich nicht gerade nach einem freiwilligen Besuch an“, warf Thilo ihm vor.
Mando vergrub den Kopf mit den ölig glänzenden, schwarzen Haaren in beide Hände. Da hatte man ihm ja was Schönes eingebrockt.
„Wenn ich ihnen mal eine oder zwei bringe, erlassen sie mir meine Schulden“, beichtete er jetzt, „keine Ahnung, wo die danach hingehen.“
„Wer sind die?“, herrschte Thilo ihn wieder an.
„Na, die Bosse, die Loge und so...“, fast weinte der junge Mann.
Evi und Thilo sahen sich verständnislos an.
„Mafia?“ fragten sie beide fast gleichzeitig. Mando schüttelte den Kopf.
Die junge Polizistin versuchte, den Verdächtigen zu beruhigen. „Erzähl uns einfach alles ganz langsam, von Anfang an. OK?“
Armando nickte. Mit zitternder Stimme beichtete er den Beamten, was er über die Bosse wusste. Das war nicht viel, und das Meiste hörte sich an wie wirres Zeug aus einem schlechten Film. „Ist der auf Drogen? Wir sollten ganz dringend mal einen Test bei dem Kerl machen lassen!“, flüsterte Thilo Evi zu, als sie sich das Geständnis anhörten. Nach seiner Aussage fragten sich die Ermittler allen Ernstes, ob sie den Jungen in die Psychiatrie einliefern lassen sollten. Wer sollte ihm diese Geschichte von den Vampiren glauben?
In der Mittagspause kamen sie noch einmal auf den Fall zu sprechen. „Angenommen, es gibt diese Draculas. Stehen die alle auf dieses Parfüm?“ fragte sich Thilo.
Evi biss in einen Hamburger.
„Keine Ahnung. Wir sollten noch mal ganz von vorne anfangen. Die Aussage von diesem Armando nimmt uns eh kein Staatsanwalt ab“, meinte sie kauend.
„Irgendwas muss aber dran sein, die Typen waren doch alle blutleer“, beharrte Thilo.
„Na und? Gibt doch genug perverse Spinner und Ritualfreaks, sogar Kannibalen. Unsere echten Verbrecher
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