Die Blut-Loge
selbst kontrolliert wurden.
Der von langer Hand vorbereitete Plan der Infiltration trug langsam Früchte. Zunächst war das für die Menschen durchaus von Vorteil. Vollbeschäftigung, Steuererleichterungen und viele andere Vergünstigungen machten ihnen das Leben leichter. Die Kriminalitätsrate sank in den Industrieländern rapide, dafür stieg die Geburtenrate wieder an. Auf der anderen Seite stieg aber auch die Zahl der vermissten Personen von Jahr zu Jahr.
Angesichts dieses Erfolges hatte Gabriel sogar seinem Sohn verziehen, dass er Belas Mutter gewandelt und ihr damit gewisse Rechte eingeräumt hatte.
Evi war durch die Wandlung zu einer atemberaubenden Schönheit mit langen, blonden Haaren geworden. Die früher blauen Augen hatten jetzt die Farbe von dunklen Usambaraveilchen angenommen. Ihre Figur ließ nicht erkennen, dass sie jemals ein Kind geboren hatte. Sie glich eher einem Model, so elegant wie sie sich jetzt bewegte. Zunächst war es ihr schwer gefallen, sich anzupassen, die Kräfte und Möglichkeiten des dunklen Reiches voll auszuschöpfen.
Es hatte sie Überwindung gekostet, das erste Mal Blut zu trinken. Aber menschliche Nahrung vertrug ihr Körper jetzt nicht mehr. Mit dieser ersten Bluttaufe bekam sie auch einen neuen Namen: Aus der früheren Evi Fischer wurde die Vampirin Estelle.
Sie brauchte nicht einmal selbst zu töten, auch die Loge griff heute zu modernen Einwegverpackungen. Inzwischen war sie in die Wahlheimat ihrer neuen Familie gezogen – Kalifornien. Dort bezogen sie eines der großzügigen Häuser in Beverly Hills und Ruben übernahm eines der Büros in der Zentrale L.A. des Konzerns.
Die Vampirin Estelle konnte und durfte sich frei bewegen, wenn auch bevorzugt nach Einbruch der Dunkelheit, denn dort fühlte sie sich geborgen. Das dunkle Erbe war auch bei ihr durchgebrochen, sehr zu ihrem Bedauern. Viel lieber hätte auch sie bei Tageslicht agiert, wie viele der anderen Gewandelten. Dafür hatte sie allerdings Rubens Zuneigung neu entfacht und kostete ihre Macht über ihn voll aus. Nun war sie es, die ihre Stärken ausspielte. Gabriel Stark gefiel überhaupt nicht, dass eine Gewandelte mehr Einfluss auf seinen Sohn haben sollte, wie sein eigener Vater, obwohl er zugeben musste, dass diese Schönheit auch ihm durchaus gefährlich werden könnte.
„Du hast eine wunderschöne Vampirin erschaffen, bist du sicher, dass sie dir auch treu sein wird – über Jahrhunderte?“, forschte er eines Tages, als er mit seinem Sohn allein im Büro war. Ruben blickte erstaunt auf
„Wieso fragst du das?“
Gabriel lehnte sich souverän in seinem Chefsessel zurück und betrachtete seinen Sohn. „Nun, ich bin mir nicht sicher, ob nicht doch noch ein Funken Menschlichkeit in der Kleinen steckt.“
„Blödsinn, Dad, Estelle hat sich hervorragend an unsere Lebensgewohnheiten angepasst und - ohne angeben zu wollen – wir haben eine Menge Spaß zusammen.“
„Versteh mich nicht falsch, Junge, ich gönne dir durchaus deinen Spaß, aber irgendwas in ihren Augen sagt mir, dass man ihr nicht trauen sollte.“
„Du bist doch nicht etwa neidisch, Vater?“, versuchte Ruben zu scherzen, „oder willst du etwa einen Keil zwischen uns treiben?“, fragte er misstrauisch nach.
Gabriel winkte ab. „Nicht doch, aber da sie es nicht zulässt, dass wir ihre Gedanken lesen, darf ich doch wenigstens meine Bedenken äußern“, dabei gab er wieder der geschäftlichen Seite den Vorrang und wechselte das Thema.
Wie um diese Bedenken zu untermauern, hatte Gabriel Stark das Paar mit ihrem Sohn an einem Abend in sein Haus eingeladen. Nach außen hin schien es, dass Gabriel Stark damit Estelle als neue Vampirin und Mutter seines Enkels akzeptiert hatte, und endlich sollte sie den Großvater ihres Sohnes kennen lernen. Sie freute sich darauf. Das alles war Teil ihrer eigenen Pläne.
In Estelles Augen glich der Mittvierziger vom Typ her Karl Lagerfeld in jungen Jahren, nur kräftiger an Statur. Insgesamt wirkte er wesentlich männlicher als sein Sohn, vielleicht bewirkte das aber auch nur sein gesellschaftlicher Status.
Im Grunde war es ihr auch egal, sie verfolgte ein ganz bestimmtes Ziel und an diesem Abend begab sie sich das erste Mal auf die Jagd, aber nicht nach Blut. Schon bei der Begrüßung merkte sie, dass der Konzernchef ihre Hand auffallend lange festhielt. Obwohl viele geschäftliche Dinge besprochen wurde, von denen sie nichts verstand – und auch nichts wissen wollte – und sie
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