Die Blut-Loge
seinen Vater gehört!
Die telepathische Verbindung zu seinem noch menschlichen Sohn war unterbrochen. Suchen konnte er den Kleinen nur noch auf ganz normale, „irdische“ Weise, allerdings würde dieser vielleicht nie wieder zur Loge gehören können. Und wenn er ihn wandelte, würde der Junge auf ewig sechs Jahre alt bleiben, unfähig, als vollwertiger Vampir zu überleben. Nein – so oder so – Bela war für ihn verloren. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.
Bei einer eilends angeordneten Zusammenkunft der Sanguiner informierte er die Logenmitglieder über das Geschehene. Es folgten heftige Diskussionen untereinander. So etwas war noch niemals zuvor passiert!
Zwei gewandelte Vampire führten gerade Dr. Hadley in das Konferenzzimmer.
Ruben sah den alten Mann voller Zorn an. „Du hast es ihr gesagt, nicht wahr?“
„Was denn?“, tat der alte Doktor unschuldig.
„Du hast ihr gesagt, wie man ein Kind vom Einfluss der Loge befreit, oder?“, die Drohung in Starks Stimme war unverkennbar.
„Dann hat sie es also tatsächlich getan“, murmelte Hadley voller Bewunderung.
Stark packte ihn wütend am Hals und drückte diesen wie einen Schraubstock zu. „Verräter!“, zischte er. Wir sollten euch alte „Leftovers“ alle vernichten! Ihr wisst zuviel!“
Der Doktor war bereits blau angelaufen. Stark ließ den Toten achtlos liegen.
„Schafft mir dieses Aas wieder her!“, befahl er den umstehenden Vampiren. „Ich will sie leiden sehen und zwar auf ewig!“
Nachdem die Loge den Raum verlassen hatte, sank Ruben Stark in sich zusammen.
* * *
Thilo Weinbach hatte so spät am Abend nicht mehr mit Besuch gerechnet. Der Kommissar hockte immer noch allein in seiner kreativ-chaotischen Wohnung und saß gerade bei einer Tüte Chips vor dem Fernseher, als es klingelte. Die blonde Schönheit vor der Tür wollte garantiert nicht zu ihm, was er insgeheim bedauerte. Gerade wollte er sie abwimmeln, als sie die Sonnenbrille abnahm. Irgendetwas an ihr kam ihm bekannt vor.
„Erkennst du mich denn gar nicht mehr?“, fragte Estelle. Diese Stimme….
“Evi?“, kam es zögernd aus seinem Mund, der vor Staunen offen blieb. Er hätte nie gedacht, sie nach so vielen Jahren wieder zu sehen. Und wie sie sich verändert hatte!
Die Blondine nickte. „Darf ich wenigstens reinkommen?“, fragte sie.
„Klar… sicher...“, Thilo wusste nicht, was er sagen sollte.
Doch das Reden nahm Evi, oder besser, Estelle ihm ab. Sie setzte sich auf das verschlissene Sofa und erzählte in kurzen Sätzen, was geschehen war. Nachdem sie geendet hatte, fragte sich der Beamte, ob sie all die Jahre in einer Nervenheilanstalt verbracht hatte. So eine Story konnte sich kein normaler Mensch ausdenken. Als sie aber den Mund öffnete und ihm die deutlich sichtbaren Fangzähne zeigte, begann er, ihr zu glauben. Auch wenn man die bei jedem Zahnarzt hätte anfertigen lassen können.
„Kann ich irgendetwas für dich tun?“, fragte er etwas gehemmt. Estelle schüttelte den Kopf. „Du könntest morgen in der Metzgerei nach Tierblut fragen. Ich muss mich so unauffällig wie möglich verhalten und ich möchte niemanden töten, solange es sich vermeiden lässt.“
„Ich verstehe, du sitzt ganz schön in der Sch…“
„Stimmt!“
„Und ich kann dich nicht beschützen“, stellte Thilo fest.
„Niemand kann das. Die sind einfach zu mächtig. Sie haben viel zu viel Einfluss und niemand weiß, wo sie überall die Fäden ziehen.“
„Na, toll, das verändert mein Weltbild ins Positive!“, stöhnte Thilo und ließ sich in den Sessel fallen. „Was wird eigentlich aus deinem Sohn?“ Estelle zuckte die Schultern.
„Ich kann nur hoffen, dass ihn jemand großzieht. Er ist außer Gefahr, bis er erwachsen ist. Dann…“ Evi wurde heiß und kalt bei dem Gedanken. „Dann könnte Ruben ihn wandeln und wieder auf die dunkle Seite ziehen“, vollendete sie leise den Satz.
„Wie willst du aus dem Schlamassel herauskommen?“, fragte Thilo jetzt. Er zermarterte sich bereits den Kopf, wie er seiner früheren Kollegin helfen konnte.
„Es gibt kein Entkommen. Ich bleibe so lange wie möglich auf der Flucht, schon um Belas Willen“, gab Estelle erschöpft zur Antwort. „Das ist keine Lösung!“, warf der Kommissar ein.
Estelle stand auf und ging nervös zum Fenster. Berlin war immer noch die alte, lebendige Großstadt, selbst bei Nacht. Die beleuchteten Hochhäuser erinnerten sie an die eine Nacht, in der Ruben sie zum ersten Mal berührt
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