Die Bluterbin (German Edition)
bevor dieser überhaupt reagieren konnte.
Robert kannte Bernard gut genug, um zu wissen, dass er keiner Prügelei aus dem Weg ging. Deshalb legte er ihm die Hand auf die Schulter und drückte ihn auf seinen Stuhl zurück. Dabei sah er dem Wirt fest in die wässrigen Augen.
„Auch ich würde gerne wissen, wer dieser Mönch ist, von dem Ihr sprecht. Wir sind zufällig hier vorbeigekommen und haben das Gesicht des Mädchens auf dem Wagen des Schinders gesehen“, antwortete er ruhig. „Sie kam mir irgendwie bekannt vor, und eben ist mir eingefallen, wo ich sie schon einmal gesehen habe. Es war vor einigen Tagen in der Gasse der Tuchhändler. Mehr kann ich Euch nicht sagen.“
Der Wirt zögerte. Die Worte des jungen Mannes klangen ehrlich.
„Nimm das Messer weg“, befahl er mit einem Blick auf den kleineren der beiden Männer. Der Mann befolgte den Befehl und steckte das Messer zurück in die lederne Scheide, die er unter seinem Umhang trug.
„Der Mönch war groß und hager“, begann der Wirt. „Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, weil er eine Kapuze trug.“ Angestrengt dachte er nach. „Wenn ich mich recht erinnere, besaß er eine ziemlich hässliche Nase.“ Robert versuchte, seine Aufregung zu unterdrücken. Das war schlichtweg nicht möglich. Aber auch die weitere Beschreibung des Wirtes passte genau auf Radulfus. Doch welchen Grund sollte der Bischof haben, eine Hure zu ermorden? Selbst wenn er einen Grund dafür gehabt hätte, würde sich ein Mann in seiner Position gewiss niemals selbst die Hände schmutzig machen. Wie kam er überhaupt auf solche Gedanken? Radulfus war ein Mann der Kirche, er würde niemals sein Gewissen mit einem Mord belasten. Mord war eine Todsünde, die man bei keinem noch so einfallsreichen Ablasshändler der Welt wieder loswerden konnte.
Er atmete tief durch, dann sah er den Wirt voller Bedauern an.
„Es tut mir leid, doch ich kenne keinen Mönch, auf den diese Beschreibung passt.“ Das war nicht einmal gelogen, denn Radulfus war Bischof und kein Mönch.
„Ist schon gut, ich glaube Euch.“ Der Wirt sank in sich zusammen, und der grimmige Ausdruck in seinem Gesicht löste sich in einer Welle von Selbstmitleid auf.
„Es gibt genauso viele geile Mönche wie Schweine in der Stadt, und wer sagt uns, dass er überhaupt ein Mönch war? Schließlich gibt es nichts Einfacheres, als sich eine Kutte überzuwerfen, um nicht erkannt zu werden.“
Aus feuchten Augen sah er Robert an. „Setzt Euch zu uns und lasst uns zusammen trinken, das ist immer noch die beste Art, um dieses unglückselige Ereignis so schnell wie möglich zu vergessen.“
Robert winkte mit einer raschen Handbewegung ab.
„Es ist sehr freundlich von Euch, uns einzuladen, doch wir haben noch etwas Wichtiges zu erledigen“, entschuldigte er sich und Bernard. Er murmelte noch einen Abschiedsgruß, dann verließ er, gefolgt von seinem Freund, die Schenke.
Sie waren kaum vor der Türe, als Bernard sich aufgeregt an Robert wandte: „Denkt Ihr das Gleiche wie ich? Ich habe recht gehabt, Radulfus hat den Teufel in sich.“
„Es gibt noch mehr Männer in der Stadt, die eine hässliche Nase besitzen“, gab Robert zu bedenken.
„Aber Ihr habt doch selbst auf die Verbindung zwischen ihm, Marie und der Hure hingewiesen“, beharrte Bernard, der keinerlei Skrupel wegen seiner schon fast ketzerischen Gedanken zu haben schien. Robert war jedoch nicht sehr überzeugt.
„Radulfus ist ein Mann Gottes, aus welchem Grund sollte er eine Hure ermorden?“
„Ein Mann Gottes ist jemand, der wie ein Mann Gottes handelt, und nicht jemand, der sich eine Kutte überwirft, um so auszusehen. Jedermann weiß, dass der Bischof rücksichtslos und grausam ist und sich mit Unmengen von Opium und Wein betäubt, wodurch er nochmals unberechenbarer wird, als er eh schon ist.“
Es wurde höchste Zeit, Robert aus seiner Traumwelt zu reißen. Er musste endlich begreifen, wie schlecht die Menschen wirklich waren.
„Was glaubt Ihr eigentlich, warum immer mehr Menschen den Bettelmönchen folgen? Weil sie barfuß und ohne Besitz das Wort Gottes leben und nicht in pelzverbrämten Umhängen und mit vollen Bäuchen um weltliche Macht rangeln, anstatt den Menschen Trost zu spenden. Selbst der Mob hat es mittlerweile begriffen und spendet sein Geld lieber den minderen Brüdern als der Kirche.“
Robert wirkte überrascht.
„Über diese Dinge habe ich mir tatsächlich noch keine Gedanken gemacht“, murmelte er nachdenklich.
„Ich
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