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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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das geöffnete Fenster hereindrang.
    Ist kalt heute Nacht
, dachte Cedric, während er einige Zahlen in eine Tabelle eintrug. Mehr als vier Wochen waren seit jener ersten Mitarbeiterbesprechung vergangen. Der Oktober war gekommen, und mit ihm der Herbst.
    Der Sommer ist wohl endgültig vorbei.
    Am Morgen war in seiner Post endlich der lang ersehnte Brief vom Ministerium gewesen. Das Schreiben beinhaltete nicht viel, wenn man von einer fast fünf Seiten langen Aufstellung noch zu erbringender Belege, Erläuterungen und Nachweise absah. Cedric wunderte es nun gar nicht mehr, dass die Herren und Damen Bürokraten für die Antwort so lange gebraucht hatten.
    Pei Lin kümmerte sich darum. Mit seiner Hilfe.
    Cedric seufzte innerlich. Katherine, dachte er, hätte auch ganz allein gewusst, was die nächsten Schritte sein mussten. Ein einziger Blick auf die Liste hätte ihr genügt.
    Der inzwischen vertraute Druck auf seiner Brust machte sich einmal mehr bemerkbar. Er tauchte immer dann auf, wenn Cedric aus irgendeinem Grund an Katherine denken musste – und das war oft genug der Fall. Aber Cedric tat sein Bestes, um ihn zu ignorieren.
    In diesem Augenblick klopfte es leise an der Tür.
    Cedric hob den Blick von den Formularen. »Herein.«
    Kris betrat mit leisen Schritten das Büro.
    »Du wolltest mich sprechen?«
    Cedric nickte und legte seinen Stift zur Seite.
    »Sid«, sagte er und strich leicht mit der Hand über seinen Schreibtisch. »Pass auf, dass niemand lauscht. Wenn Pei Lin vorbeikommt, lenk sie irgendwie ab.«
    Ein leichtes Vibrieren antwortete ihm.
Jawohl, Doc. Zu Befehl.
    Kris hob belustigt die Brauen und ließ sich auf den Besucherstuhl sinken. Cedric sah, dass ihm eine spöttische Bemerkung auf der Zunge lag – über Paranoia vermutlich –, die er sich jedoch verkniff. Fast hätte er selbst gelacht. Aber er hatte in den letzten drei Wochen genug Zeit mit Pei Lin verbracht, um zu wissen, dass bei ihr eher zu viel als zu wenig Vorsicht angebracht war. Die zierliche Chinesin war, ganz wie er befürchtet hatte, still, unauffällig – und gleichzeitig streng konservativ. Eine gefährliche Kombination, wenn man wie Cedric und Kris Experimente durchführte, für die noch keine offizielle Genehmigung vorlag. Experimente, deren Ergebnisse das festgefahrene Weltbild der Konservativen wild durcheinanderrütteln konnten. Cedric hoffte, dass es nie soweit kommen würde. Aber wenn Pei Lin ihnen auf die Spur kam und sich entschloss, sie beim Parlament zu melden – dann wäre er mit tödlicher Sicherheit noch vor Ende des Monats nicht mehr der Leiter von White Chapel. Er bewegte sich auf dünnem Eis. Aber er konnte auch nicht mehr zurück.
    Cedric trat wieder zum Schreibtisch und lehnte sich gegen die Tischkante, um seinen Biotechniker zu mustern.
    Seinen Biotechniker, der ein
Bloodstalker
mit ungeklärterMotivation war, erinnerte sich Cedric und lachte im Stillen. Wie weit war es nur mit ihm gekommen? Wie viele seiner eigenen Grundsätze hatte er bis zu diesem Punkt schon verraten? Und er war sich nicht einmal sicher, ob er nicht doch unter dem Einfluss dieses ungewöhnlich mächtigen Jungen stand, der da vor ihm saß.
    Unwichtig. Es war ganz einfach unwichtig. Er würde Katherines Vermächtnis, ihre Theorie beweisen und an die Öffentlichkeit bringen. Was auch immer er dafür tun musste.
    »Wie laufen die Tests?« Cedric schob die Hände in die Taschen seines Laborkittels und betrachtete Kris’ Gesicht. »Irgendwelche Neuigkeiten?«
    Ein Lächeln erschien in Kris’ Mundwinkeln.
    »Ich hatte gehofft, dass du das fragen würdest. Ich wollte später ohnehin noch deswegen zu dir kommen. Es gibt tatsächlich Neuigkeiten. Die Rezeptorproteine, die wir auf den progressiven Leukozyten gefunden haben, sind auf den konservativen Zellen wirklich nicht vorhanden. Aber dafür gibt es andere, deren Basensequenz sehr ähnlich ist. Das reaktive Zentrum ist dadurch minimal verändert, so dass die Wirksamkeit zwar nicht beeinträchtigt wird, wohl aber der Farbstoff nicht binden konnte, den ich im progressiven Blut benutzt habe.« Das Lächeln wurde breiter. »Unser Verdacht scheint sich zu bestätigen, wie es aussieht.«
    Cedric nickte ernst. »Dann wirst du bald die erste Infektion mit konservativem Blut durchführen? Die progressiven In-Vitro-Infektionen haben ja ganz gut funktioniert.«
    Kris neigte zustimmend den Kopf. »So hatte ich es geplant.«
    Cedric verschränkte nachdenklich die Arme vor der Brust und sah zum Fenster

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