Die Blutgabe - Roman
nichts zu sagen. Er spürte bereits, wie das Relacin ihn schläfrig machte. Stärker als die Bonbons. Viel stärker.
»Schlaf jetzt besser«, sagte Kris und wandte sich zur Tür. Red konnte ihn lächeln hören. »Morgen sehen wir uns wieder. Und dann erzählst du mir von deiner Freundin.«
Reds Gedanken trieben davon. Er konnte sie nicht festhalten.
Um ihn war es dunkel und warm.
Es gab nichts, wovor er sich fürchten musste.
Er war zu Hause.
Dumpf hörte er noch, wie die Zimmertür sich öffnete und wieder schloss.
Dann hatte der Schlaf ihn eingeholt.
Kapitel Elf
The Highest Place, Insomniac Mansion, Kenneth, Missouri
»Gleichberechtigung von Menschen und Vampiren? Das klingt großartig … Meinst du das wirklich ernst?«
Die Luft im Turmzimmer war so schwer und dicht, dass man sie mit einem Messer hätte schneiden können. Ein Gewitter hing am Horizont zwischen dem Himmel und der Stadt. Doch über Insomniac Mansion war der Himmel noch blau.
Kris stand auf der sonnigen Seite des Raums, den Rücken gegen die Wand gelehnt. Neben ihm warteten Tony und Hannah darauf, dass die Anführerin der
Bloodstalkers
von Kenneth die Besprechung eröffnete.
Die Schattenseite des Zimmers beanspruchte Céleste für sich allein.
Ihr Haus.
Ihr Privileg.
Kris konnte sich nicht erinnern, dass ihn diese Überheblichkeit früher je gestört hätte. Aber die Zeiten hatten sich geändert.
»Also.« Nicht einmal die Musik in Célestes Stimme konnte die Leichtigkeit in die Schwüle des Nachmittags zurückbringen. Und selbst ihr Lächeln geriet verhalten. »Fangen wir an! Wo stehen wir in diesem Monat? Tony?«
Der riesige Vampir verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie machen sich gut«, brummte er. »Bis auf Will und den Neuen sind alle kurz davor, die nächste Leistungsstufe zu erreichen.« Er schwieg einen Augenblick und kniff die Lippenzusammen, als könne er sich nur schwer durchringen, zu sagen, was ihm noch auf dem Herzen lag.
»Und was Sarah betrifft: Ihre Blutqualität hat sich verdammt stark verbessert. Ende des Jahres ist sie soweit.«
Céleste hob interessiert die Brauen. »Ach, wirklich. Ist das so? Dann sollten wir aber schleunigst einen Ersatz für sie finden. Sonst wird sie warten müssen.«
Tonys breite Stirn legte sich in tiefe Falten. Kris ahnte, was er dachte. Mit seinen fast dreihundert Jahren war Tony alt genug, um eine ganze Weile ohne eine Quelle auszukommen. Seine Blutgabe, die Manipulation von Energie, war gut ausgebildet, und er hatte sie vollständig unter Kontrolle.
Er brauchte kein Blut. Nicht unbedingt.
Tony knurrte – ein Geräusch, das dem fernen Grollen des Gewitters in nichts nachstand. »Ersatz oder nicht. Sie ist soweit. Sie kann von Michael trinken, bis wir eine Quelle für sie finden. Warum unnötig warten und sie verbrauchen, so wie …«
»Psst!«
Céleste legte den Finger auf die Lippen. Die schwere Luft vibrierte unter der Kraft ihrer Gedanken. Von einem Augenblick zum nächsten wurde Tonys Miene schlaff. Was immer er noch hatte sagen wollen, verklang ungehört.
Céleste schüttelte mit einem neckischen Lachen den Kopf. »Aber, aber, Tony, du wirst mir doch keine Vorwürfe machen wollen.«
Der Klang ihrer Stimme, plötzlich glockenhell und süß, drehte Kris den Magen um. Hannah neben ihm bewegte sich unruhig. Célestes Kraft war im Augenblick auf keinen von ihnen gerichtet. Aber Kris spürte trotz der Hitze eine Gänsehaut über seinen Rücken kriechen.
»Wir sind uns doch alle einig, dass ich am besten weiß, wann der richtige Zeitpunkt für eine Wiedergeburt gekommen ist. Warum sollen wir uns darüber streiten?« Célestes Augen strahlten in sanftem Licht, während sie sprach. Sie war so freundlich. So herzlich. Und sie hatte so recht …
Er konnte nicht aufhören, so zu empfinden.
Sie hatte recht.
Das war das Schlimmste an ihr, dachte Kris und würgte die Übelkeit hinunter. Sie war so mächtig, dass er sich kaum gegen ihren Einfluss wehren konnte, obwohl er wusste, dass er beeinflusst wurde.
Tony und Hannah hatten es leichter. Ihnen geschah es einfach, und sie merkten es erst, wenn es schon längst vorbei war – wenn sie es überhaupt merkten. Aber Kris war vom selben Stamm. Sein Blut trug dieselben Cofaktoren wie das ihre. Seine Gabe war die gleiche, nur weniger entwickelt.
Er
wusste
, was sie mit ihm tat.
Und dass sie ihn eben deshalb an der kurzen Leine hielt. Seit der Sache mit Red erst recht.
»Wir dürfen nicht vergessen«, fuhr Céleste inzwischen
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