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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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immer der Stärkste, egal, ob im Team oder solo, ob auf dem Parcours oder im Nahkampf. Im Umgang mit dem Revolver wurde er nur von Bruce übertroffen, und selbst das nur um Haaresbreite. Er war alles, was Red sich zu werden wünschte, was er werden
musste
, um endlich nach Blue suchen zu können. Und trotzdem, gleichgültig, wie sehr Red sich bemühte, Chase schien immer einen Schritt voraus zu sein, während Red selbst an seiner eigenen Unfähigkeit zu verzweifeln drohte.
    Und nun schien sogar Kris ihn als leuchtendes Vorbild hervorheben zu wollen. Noch vor wenigen Minuten hätte Red es nicht für möglich gehalten, dass seine Laune noch tiefer sinken konnte. Jetzt aber erkannte er, dass es in ihm Abgründe gab, von deren Existenz er nicht einmal geahnt hatte.
    Kris’ Hand war noch immer an Reds Arm.
    »Ich gehe davon aus, dass er dir seine Lebensgeschichte noch nicht erzählt hat«, sagte er. Es klang allerdings mehr wie eine Feststellung als wie eine Frage.
    Red presste die Lippen zusammen. »Hätte er sollen?«
    Kris hob die Brauen. »Wie vertraut ihr miteinander werdet, überlasse ich ganz eurer eigenen Entscheidung. Ich halte es nur in diesem speziellen Fall für sinnvoll, ihn als Beispiel heranzuziehen.«
    Red spürte, wie sich eine steile Falte zwischen seinen Brauen bildete, aber er sagte nichts. Am liebsten hätte er bitter gelacht.
    »Ich sage das deshalb«, fuhr Kris ernst fort, »weil ich den Eindruck habe, dass ihr euch ähnlicher seid, als du vielleicht denkst. Und Chase hat vor nicht allzu langer Zeit einen schweren Fehler begangen, von dem ich nicht möchte, dass du ihn wiederholst.«
    Red horchte auf. Einen Fehler? Also vielleicht doch kein leuchtendes Beispiel?
    Sein erster Tag auf dem Schießplatz fiel ihm wieder ein, der im Lauf der vergangenen Wochen in einem rauschenden Fluss von Übungen, Erschöpfung und Frustration untergegangen war. Red erinnerte sich an Tonys scharfen Blick – und daran, wie Sarah später am Abend ihre Stimme gesenkt und nervös zu Chase hinüber gespäht hatte, als sie über die Namen der Bluter sprachen. An jenem Abend war Red noch neugierig gewesen, was es damit wohl auf sich hatte. Aber dann hatte er es über all den anderen Ereignissen, die ihn beschäftigten, einfach vergessen.
    »Es wird dir nicht entgangen sein, dass Chase sehr ehrgeizig ist. Mindestens so ehrgeizig wie du.« Kris warf einen Blick zum Himmel, als wolle er den Stand der Sonne überprüfen, obwohl diese sich schon den ganzen Tag hinter einer dicken Wolkendecke verbarg. Es war spät am Nachmittag. Die Tage wurden bereits merklich kürzer. Bald würde es dunkel sein. »Und ich sagte ja schon einmal, dass keiner von euch Menschen hier bei uns ist, weil er die Ideale der
Bloodstalkers
durchsetzen möchte. Damit meine ich auch – vielleicht sogar vor allem – unseren Freund Chase. Vermutlich hatten wir noch nie einen Executive bei uns, dem unsere Ziele sogleichgültig waren. Für Chase gibt es nur eins, was er will. Und das ist, stark zu sein.«
    Er machte eine Pause und sah zu Red hinüber. Aber er hätte sich Reds Aufmerksamkeit nicht zu versichern brauchen. Denn obwohl seine Laune noch immer auf einem Tiefpunkt war, hatte Red doch das dringende Gefühl, dass das, was Kris ihm hier zu sagen hatte, wichtig war. Und was Chase für einen fürchterlichen Fehler gemacht hatte – das interessierte ihn auch.
    Kris sah ihn einen Moment lang schweigend an, bevor er leicht den Kopf schüttelte und in seiner Erzählung fortfuhr.
    »Er kam zu uns, als er noch sehr jung war. Zwölf Jahre alt mag er gewesen sein, nicht mehr. Niemand außer Chase selbst weiß, woher er von den
Bloodstalkers
erfahren hat. Er stand einfach eines Tages vor unserem Tor, dieser kleine Junge – ohne jede Angst – und bat uns, ihn stark zu machen. Wenn wir wollten, könnten wir seine Seele dafür haben.«
    Kris schwieg eine Weile, und Red konnte sehen, dass er an diesen Tag zurückdachte.
    »Natürlich war das Unsinn«, fuhr er endlich fort. »Für uns Vampire sind Seelen genau so wenig greifbar wie für jeden Menschen. Was also sollte uns so ein Tausch bringen? Aber letztendlich kam es doch zu einem Handel. Denn sein Blut war für einen so jungen Menschen sehr stark. Und Céleste beschloss, ihn zu ihrer persönlichen Quelle zu machen, obwohl sie so alt ist, dass sie eigentlich kaum noch Blut braucht.
    Der Junge wuchs bei uns auf, und Michael, der damals schon ein Executive war, kümmerte sich um ihn. Je älter er wurde, desto

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