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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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Schlafes noch eine Frage ein, die er schon lange hatte stellen wollen.
    »Warum gehst du immer, wenn es Nacht wird?«, murmelte er und hatte schon Schwierigkeiten, die wenigen Silben über seine Lippen zu bringen.
    Durch die Schleier vor seinen Augen sah er Kris lächeln.
    »Ich hatte gehofft, dass du das irgendwann fragst«, sagte er sanft. »Aber darüber reden wir ein anderes Mal. Jetzt schlaf.«
    Er streckte den Arm aus. Eine kühle Hand legte sich über Reds Augen.
    Die Dunkelheit fiel über ihn.
    Und Red schlief.
     
    Mit dem nächsten Morgen kam das Wochenende – die drei kostbaren Tage, an denen Red ein wenig Zeit hatte, seine müden Knochen und Muskeln zu erholen. Kris hatte Recht behalten, das hatte er schnell einsehen müssen: Er brauchte die Regenerationszeit. Aber immerhin war ihm jetzt klar, warum die anderen Menschen ihm zu Anfang so weit überlegen gewesen waren. Seit er Kris als Quelle diente und der Vampir jeden Abend von ihm trank, fühlte Red sich stärker und belastbarer als je zuvor in seinem Leben. Er vermutete, dass das mit der regelmäßigen Relacinzufuhr über den Vampirspeichel zusammenhing. Am Wochenende jedenfalls, wenn er Kris nicht sah, war Red immer sehr matt und träge und hätte am liebsten nichts getan, als den ganzen Tag im Bett oder auf dem Sofa zu verbringen.
    An diesem Freitag jedoch war er unruhig. Er war mit dem merkwürdigen Gefühl aufgewacht, etwas enorm Wichtiges sei passiert, das ihn auf die Füße drängte und ihm keine Ruhe ließ, wie sonst bis mittags liegen zu bleiben.
    Während er über die Galerie und die Treppe hinunter in die Küche ging, versuchte er zu benennen, was ihn so kribbelig machte. Doch er konnte es nicht fassen. Was war denn gestern gewesen? Morgens sein Training. Nachmittags die Übungen mit Kris … Nein. Er kam nicht darauf. Wahrscheinlich hatte er nur schlecht geträumt, ohne sich daran erinnern zu können.
    Als Red die Küche betrat, fand er sie verlassen vor, aberdas verwunderte ihn nicht besonders. An den trainingsfreien Tagen stand niemand vor zehn Uhr auf. Und dass er so früh hier war, überraschte Red selbst.
    Er schaltete die Kaffeemaschine an, setzte sich an den Tisch und lauschte dem friedlichen Blubbern und Zischen, das die morgendliche Stille füllte. Und während er noch den Staubkörnern zusah, die in den schrägen Strahlen der Morgensonne tanzten, kamen plötzlich mit aller Gewalt die Gedanken an die Farm zurück. Damals war er jeden Morgen so früh aufgestanden – wie lang das her zu sein schien! Ein Felsbrocken schien mit einem Mal auf seiner Brust zu liegen, als Red klar wurde, wie weit er sich innerlich schon von seinem alten Leben entfernt hatte. Wie gern war er mit Blue in den frühesten Morgenstunden über die schlafende Farm gewandert! Beinahe jeden Tag hatten sie das getan, weil in diesen stillen Momenten die Welt ihnen ganz allein gehörte. Sie hatten gemeinsam gelacht, geredet oder geschwiegen. Und immer wieder waren sie vor der Mauer stehen geblieben.
    Red stützte den Kopf schwer in die Hände und zuckte unwillkürlich zurück, als seine Finger die kurzen Haare streiften, die in den vergangenen Wochen dort gewachsen waren.
    Braun.
    Red hatte nicht gewusst, dass seine Haare braun waren.
    Aber hier schor sie ihm niemand. Nicht einmal er selbst.
    Weil er nicht mehr der war, der von der Farm geflohen war. Er gehörte nicht mehr dazu. Denn er hatte nun einen Namen. Der einzige Red September.
    Blue
, dachte er,
du hattest recht. Namen sind wirklich etwas ganz Ungeheuerliches
.
    Denn der Red auf der Farm hatte sich selbst gekannt, hattesich selbst im Spiegel sehen können, wann immer er einem anderen Menschen ins Gesicht sah.
    Hier musste er einzigartig sein.
    Und es fiel ihm furchtbar schwer.
    Red schluckte und versuchte, den Kloß hinunterzuwürgen, der mit einem Mal in seiner Kehle saß. Die Farm … in diesem Moment wollte er sie so sehr zurück, dass es schmerzte. Die Wohnblocks mit ihren Türen in den verschiedenen Farben, die bestimmten, wie man ihre Bewohner rief. Die riesigen Parks und Sportplätze. Die Vampire, die für die Menschen kochten, für ihre Kinder sorgten, ihnen jeden zweiten Tag die Haare schoren und ihnen Kleidung gaben.
    Und die Menschen, die keine Namen hatten.
    Wenn er nun aufstand und dieses Haus verließ, die
Bloodstalkers
verließ, dann würden sie ihn sicher finden und zurückbringen, dachte Red und wäre am liebsten sofort losgestürmt. Es war bestimmt noch nicht zu spät … und er könnte

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