Die Blutgabe - Roman
klang überrascht.
Das muss vor der Isolierung gewesen sein. Noch gar nicht so schmutzig damals. Weiter.
Ein erneutes Kribbeln. Katherine wusste, sie hatte nun keinen Einfluss mehr darauf, wohin die Erinnerung sie führte. Es war Cedric, der entschied, welche Verknüpfung sie näheran ihr Ziel brachte. Und Katherine begriff, er hatte gar nicht vor, sie zum Ort ihres Erwachens zu leiten. Diesen Teil ihrer Vergangenheit kannte er bereits.
Die roten Blitze zuckten durch die Schatten, und ein weiteres Mal verformten sie sich. Ein dunkler Raum. Ein zerbrochenes Kellerfenster. Eine zerfetzte Matratze.
Mein Unterschlupf.
Katherine spürte, wie ihr kalt wurde. Ja, kalt war es dort gewesen. Der dicke Riegel an der Tür. Hier hatte sie sich selbst einzusperren versucht, in den wenigen klaren Momenten zwischen bleiernem Schlaf und der Gier nach Blut. Menschen waren dort draußen vor dem Fenster gewesen. Viele Menschen. Über ihr ertönte der Lärm von Kindern, die das verlassene Haus erkundeten. Der Geruch, der süße Geruch von Nahrung, der sie schwindelig werden ließ. Ihre Muskeln zitterten. Der rote Schleier senkte sich über ihr Blickfeld …
Halt!
, hörte sie eine Stimme rufen. Verzweiflung verschlang ihre Gedanken.
Warte, Katherine!
Knisternd schoss ein Blitz durch ihren Geist.
Katherines Glieder zuckten. Sie keuchte und versuchte um sich zu schlagen. Ein tonloser Schrei verstopfte ihre Kehle – und dann wurde es dunkel um sie.
Eine Hand legte sich auf ihre schweißnasse Stirn.
Katherines Lider flatterten.
Cedric beugte sich über sie. »Das war ja mal ein kurzer Ausflug.«
Das Atmen fiel Katherine schwer. Noch immer war ihr eiskalt.
Cedric stand auf. »Bleib noch liegen«, sagte er. »Ich koche dir einen Tee.«
Nur langsam kehrte das Gefühl kribbelnd in Katherinestauben Körper zurück. »Tut mir leid«, flüsterte sie schwerfällig.
Cedrics Gesicht war ernst, während er zwei Tassen aus dem Schrank über der kleinen Anrichte neben dem Bücherregal nahm. »Wir hätten viel früher dorthin gehen sollen.«
Katherines Mund war voller Blut. Ihr eigenes sicherlich. Ein Teil des Blutersyndroms – sie verletzte sich viel zu leicht. Die Blutung würde von allein aufhören. Aber das würde eine Weile dauern. Sie schluckte mühsam und unterdrückte den Drang, mit der Zunge über ihre spröden Lippen zu lecken. Sie würden nur noch weiter aufplatzen.
»Als wir uns kennenlernten, hast du nicht in den Dirty Feet gewohnt«, stellte Cedric fest und schaltete den Wasserkocher auf der Anrichte ein. Auf seiner Stirn hatten sich nachdenkliche Falten gebildet. »Was für ein Haus war das?«
Katherine schloss die Augen und tastete vorsichtig nach dem Bild, das Cedric in den Wirren ihres Gehirns gefunden hatte. Der Keller … ja, er hatte zu einem Haus gehört, das sie kannte. Aber woher? War es das Haus gewesen, in dem sie als Mensch gelebt hatte? Der Gedanke fühlte sich richtig an. Aber er öffnete keine Türen. Noch nicht.
»Wir sollten uns dort umsehen.« Cedric kehrte zum Sofa zurück. Das Wasser im Kocher begann zu brodeln.
»Nächste Woche«, fügte er hinzu, als wolle er sie beruhigen. »Für heute haben wir genug gesehen.«
Katherine schwieg. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie niemals mehr irgendetwas sehen müssen. Zumindest glaubte sie das. Andererseits – wie viele Nächte hatte sie mit dem Versuch zugebracht, sich zu erinnern?
Cedric legte ihr die Hand auf die Schulter. »Du entscheidest.Wenn du die Sitzungen abbrechen möchtest, brechen wir sie ab.«
Katherine öffnete die Augen, um ihn anzusehen. Er meinte es ernst. Mit all dem hatten sie schließlich auf ihren Wunsch hin überhaupt erst angefangen. Cedric hatte sich mit dieser Therapie selbst in größte Gefahr begeben, und er tat es immer noch. Und das nicht nur sich selbst und seiner Forschung zuliebe. Er wollte ihr helfen – trotz des hohen Preises, den er bereits dafür zahlte. Das Gelb seiner Iris erinnerte sie ständig daran.
Gelbe Augen. Bluteraugen.
»Habe ich es wieder getan, Cedric?«, fragte sie leise. »Habe ich versucht, dich zu beißen?«
Cedric antwortete nicht sofort. Schließlich jedoch seufzte er und strich ihr die Haare aus der Stirn.
»Ja, das hast du«, sagte er ruhig. »Aber ich habe es dir gesagt: Du wirst mir nichts mehr tun können. Es ist alles in Ordnung, Katherine.«
Der Wasserkocher schaltete sich mit leisem Klacken aus. Cedric streckte Katherine die Hand entgegen und hob in mildem Spott einen
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