Die Blutgabe - Roman
weit aufgerissenen Augen starrte Red zu ihm auf. Seine Haut war weiß, und er atmete abgehackt zwischen blutleeren Lippen. Sein Herz schlug langsam und schwach. Sie hatten ihm nicht viel übrig gelassen.
Behutsam legte Kris eine Hand an Reds Wange. So stark … und zugleich so zerbrechlich. Aber er würde sehr vorsichtig sein. Niemals könnte er so etwas Schönes wie diesen Menschen zerstören. Er griff nach Reds eiskaltem Handgelenk und führte es an seine Lippen.
Nur wenige Tropfen
, dachte er.
Nur, um es einmal zu schmecken.
Seine Zähne durchdrangen die weiche Haut, und das Blut rann in seinen Mund. Süß. Und voller Leben. Kris schauderte. Die Versuchung war groß. Zu trinken. Zu nehmen, was er so lange vermisst hatte. Aber das würde Red töten. Schon jetzt entglitt er ihm, drohte in den Tiefen der Bewusstlosigkeit zu ertrinken.
Und so ließ Kris ihn los, gab die wundervolle Wärme auf, die ihn durchströmte. Mit einem Seufzer hob er den Blick – und sah direkt in Célestes lächelndes Gesicht.
»Ist er nicht fantastisch?«
Kris konnte nur nicken. Langsam erhob er sich. Céleste nahm ihren Platz wieder ein, und Kris wusste, was nun folgen würde. Jetzt würde sie entscheiden. Gleich würde er wissen, ob sie seinen Wunsch erfüllte oder nicht.
»Wach auf«, flüsterte Céleste.
Reds Lider flatterten und hoben sich schwerfällig.
Benommen sah er zu ihnen hinauf, sein Geist noch zu verwirrt, um zu begreifen, was gerade mit ihm geschehen war.
Auch Tony und Hannah traten wieder näher.
»Meinen Glückwunsch, Liebes.« Céleste strich mit sanften Fingern über Reds bleiche Wange. »Du bist jetzt ein wahrer Teil der
Bloodstalkers
.«
Reds Lippen bewegten sich stumm.
»Du bist etwas ganz Besonderes«, fuhr Céleste mit sanfter Stimme fort. »Stark genug, um meine persönliche Quelle zu werden. Das ist es doch, was du dir wünschst, nicht wahr?«
Sie lachte leise, als ein seliger Ausdruck auf Reds Gesicht erschien.
Durch Kris’ Brust jedoch bohrte sich bei ihren Worten ein spitzer Dorn. Obwohl er längst damit gerechnet hatte, musste er sich beherrschen, um nicht vor Enttäuschung und Verbitterung zu zischen. Ein eisiger Klumpen in seinem Magen ließ ihn von innen heraus gefrieren. Warum? Warum tat sie ihm das an? Warum nahm sie, was ihm zustand? Nur, weil …?
Célestes Lachen verstummte, und Kris wusste, er hatte zu laut gedacht. Sie konnte in seinem Gesicht lesen wie in einem offenen Buch. Ihr glühender Blick schien bis auf den Grund seiner Seele zu dringen. Doch als sie nach seiner Hand griff, war ihre Berührung erschreckend sanft.
»Es gibt allerdings einen unter uns«, fuhr sie bedächtig fort, »der deine Hilfe sehr viel mehr benötigt als ich.«
Kris konnte Tony überrascht einatmen hören, und auch Hannah entwich ein verblüfftes Keuchen. Céleste aber beachtete sie gar nicht. Ihre Augen waren eiskalt – und nur Kris konnte die Bosheit in dem Lächeln sehen, das noch immer ihr Gesicht erstrahlen ließ.
»Er will dich unbedingt, Liebes«, sagte sie und strich Red ein weiteres Mal zärtlich über die Wange, bevor sie auch nachseiner Hand griff. Kris wagte kaum zu atmen. War das ihr Ernst? Sie wollte ihm Red überlassen?
»Du musst das verstehen.« Célestes Stimme klang nun traurig. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn er vor Sehnsucht nach dir wahnsinnig würde. Darum bitte – sei vorsichtig mit ihm.«
Eine einzelne Träne fiel aus Reds Auge und rollte seine bleiche Wange hinab. Dann nickte er schwach.
»Ich danke dir, mein Herz.« Ein letztes Mal lächelte Céleste. »Ich verspreche dir, auch unsere Zeit wird kommen. Jetzt aber …« Ihre Finger schlossen sich fester um Kris’ und zogen ihn näher, so plötzlich, dass er zusammenzuckte. Céleste sah nun nur noch ihn an, und sie gab sich keine Mühe mehr, das kalte Funkeln in ihren Augen zu verbergen. »Jetzt aber gebe ich dir diesen Diener zur Hilfe. Er wird dafür sorgen, dass du stark wirst. Er wird dich unter Einsatz seines eigenen Lebens beschützen – nicht wahr, Kris?«
Kris spürte, wie er zu zittern begann. Ein Diener? Was zum Teufel sollte das?
Seine Hand war nun ganz nah an der von Red. Er musste nur zugreifen …
Célestes Kraft prickelte auf seiner Haut. Sie war so viel älter, so viel stärker als er. Ein Versprechen, in diesem Moment gegeben, das wusste Kris, würde er niemals mehr brechen können.
Hannah und Tony bewegten sich unruhig, doch sie wagten nichts zu sagen. Dies war eine Sache, die nur Céleste und Kris
Weitere Kostenlose Bücher