Die Blutige Sonne - 14
ich hierhergekommen bin“, antwortete Kerwin nachdenklich. „Ausgenommen das wenige, an das ich mich aus meiner Kindheit erinnere. Es war fast so etwas wie ein Zwang.“
Der Legat seufzte. „Die Sehnsucht nach dem Geruch Ihrer eigenen Luft, der Farbe Ihrer eigenen Sonne in Ihren eigenen Augen“, sagte er. „Ich weiß, Junge. Seit vierzig Jahren lebe ich im Milchstraßensystem. Ich habe Dutzende von Welten gesehen. Sterben möchte ich aber auf der Erde.“ Überraschend eindringlich legte er Kerwin die Hand auf den Arm. „Bleiben Sie hier, wenn es Sie glücklich macht, mein Sohn. ,Und blühen die Sterne wie Blumen so dicht, deine eigene Welt ersetzen sie nicht…’“ Er schwieg einen Augenblick. „Wer waren denn eigentlich Ihre Eltern?“
Kerwin dachte an die Mädchen im Kaffeehaus und verbannte sie wieder aus seinen Gedanken. Schließlich hat mein Vater wenigstens dafür gesorgt, daß ich ins Waisenhaus der Raumfahrer kam und mich nicht wie der kleine Ragan im Viertel herumschieben lassen mußte – aber woher weiß ich das?
„Kerwin“, überlegte der Legat. „Ich glaube, den Namen kenne ich. Wenn er hier geheiratet hat, muß es in den Registern stehen.“ Andere Möglichkeiten erwähnte er nicht. „Vielleicht hat das Waisenhaus irgendwelche Unterlagen. Sie prüfen recht sorgfältig, wen sie aufnehmen. Gewöhnliche Findlinge werden den Stadtbehörden übergeben. Und dann kamen Sie auf die Erde zurück. Das ist sehr selten. Normalerweise hätte man Sie hierbehalten und in der Botschaft beschäftigt – in der Kartenabteilung, als Dolmetscher, etwas in dieser Art. Vielleicht war Ihre Mutter eine Pflegerin von Terra, oder sie gehörte zum ärztlichen Personal.“
„Ich überlegte mir schon, ob ich Darkovaner Blut habe…“
„Das bezwei fle ich. Ihr Haar. Auf Terra gibt es viele Rotköpfe, adrenale Typen, die ein abenteuerliches Leben lieben. Ich habe noch niemals einen rothaarigen Darkovaner gesehen.“
Ich habe drei gesehen, wollte Kerwin schon sagen, aber dann brachte er es doch nicht über die Lippen. Wirklich, er konnte die Worte nicht aus sprechen. Es war, als habe er einen Kloß in der Kehle. Statt dessen hörte er dem Legaten zu, der über Darkover sprach.
„Ein eigenartiger Planet“, begann er wieder. „Mit einigen Gebieten haben wir Verträge abgeschlossen, des Handels wegen wie anderswo auch. Sie kennen ja die Methoden. Gewöhnlich mischen wir uns auch nicht in die Regierung ein. Sobald die Bevölkerungen der verschiedenen Planeten gesehen haben, was wir an Technik haben und was wir bieten können, bekommen sie es satt, in Monarchien oder Hierarchien zu leben, und dann fragen sie, was wir ihnen geben können. Sie bitten uns selbst, in das Imperium aufgenommen zu werden. Das ist fast so sicher wie eine mathematische Formel, und man kann es genau voraussehen. Mit Darkover ist es ganz anders. Wir wissen nicht einmal, weshalb.“
Er schlug mit der geballten Faust auf den Tisch. „Sie behaupten, wir hätten überhaupt nichts, was sie brauchen! Natürlich, sie treiben Handel mit uns, manchmal wenigstens. Wir kaufen Platin, Gold, Matrixkristalle – wissen Sie, was das ist? – und liefern dafür Kameras, Luxusartikel, medizinische Ausrüstungen. Aber sie zeigen nicht das leiseste Interesse an Industrieanlagen oder am Austausch von Handelsgütern.“
Nach Meinung des Legaten wurden die Darkovaner von einer Kaste regiert, die in strenger Absonderung lebe; unbestechlich und unzugänglich. Nur selten besuchten sie die Städte. Sie waren ein Geheimnis, ein Rätsel.
„Tatsächlich gab es nur eines, was sie wirklich wollten: Pferde! Jemand brachte einmal ein Dutzend mit, das ist schon einige hundert Jahre her, und die Hasturs kauften alle auf. Sie rennen nun verwildert auf den Steppen herum – verdammter Hinterwäldlerplanet! Die Leute gewöhnten sich an sie, aber an Erdfahrzeuge können sie sich nicht gewöhnen. Sie sagen, daß sie es hassen, Straßen zu bauen. Dann und wann kaufen sie ein paar Flugzeuge…“
Er stützte das Kinn in die Hände und seufzte wieder. „Ein verrückter Planet. Ich verstehe ihn nicht. Wer weiß? Vielleicht gelingt es Ihnen – nach mir.“
Sobald er mit seiner Arbeit fertig war, wanderte Kerwin durch die besseren Viertel der Handelsstadt zum Waisenhaus der Raumfahrer. Er erinnerte sich an jeden einzelnen Schritt des ganzen Weges. Dann stand es vor ihm, ein weißes, kühles Gebäude, fremdartig anzusehen unter den fahlen Bäumen. Das Abzeichen Terras mit der
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