Die Blutige Sonne - 14
ausgeheckt wurde, damit sie ihren Nutzen davon haben?“
„Mit Cleindoris Zügen in den seinen?“ gab Kennard zu bedenken. „Cleindori, eine Abtrünnige!“
Elorie stand auf, sie war sehr blaß, sehr böse. „Cleindori ist tot. Laß sie in Frieden ruhen! Und Zandru möge seine Skorpionpeitsche über denen schwingen, die sie getötet haben!“
„Und über ihren Verführer und allen, die ihres Blutes sind!“ schleuderte Auster ihr entgegen.
In Kerwin stritten die verschiedensten unbekannten Emp findungen miteinander. Es waren sein Vater und seine unbekannte Mutter, die hier verwünscht wurden. Zum erstenmal in seinem ganzen Leben überlief ihn eine Welle der Liebe für seine Großeltern auf Terra. Kalt und lieblos waren sie ihm erschienen, und doch hatten sie ihn als Sohn aufgenommen. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl war etwas ganz Neues für ihn, und es drängte ihn, aufzuspringen und Auster den Fehdehandschuh hinzuwerfen; Worte in einer lange vergessenen Sprache rangen in ihm nach Ausdruck. Er erhob sich halb von seinem Sitz.
„Genug!“ Hasturs tönende Stimme zwang böse und befehlend die beiden zum Schweigen. „Wir sind nicht hier, um über Taten und Untaten von Männern und Frauen zu sprechen, die schon ein Vierteljahrhundert tot sind!“
„Ich übernehme das Risiko – anzunehmen oder zu verweigern!“ Auf Elories blassen Wangen brannten rote Flecke. „Ich habe noch niemals auf meine Autorität gepocht.“ Sie breitete in hilfloser Geste die Hände aus. „Ich bin keine Hexe. Ich bin auch nicht abergläubisch. Aber gut oder böse – als Wärterin des Turms von Arilinn verkörpere ich kraft Gesetzes die Autorität. Wir alle werden die Delegation anhören. Mehr ist darüber nicht zu sagen.“
Sie wandte sich zur Tür, ihre zarte Gestalt war aufrecht und ungebeugt. Kerwin beobachtete sie. Aufgewühlt von seinen Gefühlen, war er eins mit ihr in ihrer Unruhe. Er wußte, wie sehr Elorie verletzt sein mußte, daß sie gezwungen war, sich auf ihre rituelle Autorität zu berufen, die sie haßte; er wußte auch, wie sehr Elorie die abergläubische Lehre und die Tabus verabscheute, die sie umgaben. Ganz plötzlich wurde dieses blasse, kindliche Mädchen zu einer Wirklichkeit; ihre Ruhe war nur eine Maske über der leidenschaftlichen Verurteilung dieses Aberglaubens, für Gefühle, die sie so unter Kontrolle hatte, daß sie dem Auge eines Hurrikans glichen – von tödlicher Ruhe. Und er fühlte, daß Elorie ebenso bewegt war, wie er selbst.
Nun habe ich also getan, dachte sie, was ich nie zu tun geschworen habe. Ich habe die Verehrung, die einer Wärterin gebührt, dazu benutzt, sie zu dem zu zwingen, was ich will. Ich mußte es tun, ich mußte! Oder wir würden ein weiteres Jahrhundert mit diesem Unsinn leben!
Noch als Kerwin mit Taniquel und Rannirl im Aufzug hinunterfuhr, war er erschüttert von der Wirkung des Kontaktes mit Elorie. Wie hatte Kennard ihn genannt? Empath, begabt, die Bewegungen anderer Menschen zu erfühlen? Zum erstenmal glaubte er daran. Vorher hatte er es nur verstandesmäßig akzeptiert. Jetzt fühlte er es.
Sie gingen durch den zitternden Regenbogenschleier in die unteren Stockwerke des Turms von Arilinn und betraten eine Halle, die Kerwin nie vorher gesehen hatte. Sie war sehr groß, schmal, mit Seide bespannt, und zwei rot und gelb gekleidete Wächter standen vor der Tür. Irgendwo dröhnte feierlich ein Gong, als einer nach dem anderen in das Zimmer kam.
Etwa ein Dutzend wohlhabend aussehender Männer mittleren Alters in Darkovaner-Kleidung nach letzter Stadtmode war dort versammelt. Schweigend warteten sie auf Elorie, bis sie den erhöhten Sitz in der Mitte einnahm, dann verbeugten sie sich etwas weniger tief vor den anderen Com’yn. Hastur sprach.
„Ihr seid die Männer, die sich selbst das Gesamt-DarkovanerSyndikat nennen.“
Ein untersetzter, dunkelhäutiger Mann mit schwarzen Augen verbeugte sich. „Valdrin von Carthon, zu Diensten, Lord Hastur“, bestätigte er. „Mit Eurer Erlaubnis will ich für uns alle sprechen.“
„Laßt mich die Situation kurz schildern“, begann Lord Hastur bedächtig. „Ihr habt eine Liga gebildet…“
„Um Handel und Gewerbe auf Darkover zu fördern“, fiel Valdrin von Carthon ihm ins Wort. „Ich brauche nicht auf die politische Lage einzugehen, nicht darauf, wie die Terraner auf unserer Welt Fuß gefaßt haben. Die Com’yn und der Rat haben, seit die Terraner hier sind, immer versucht, ihre Anwesenheit zu
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