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Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyn
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zum Fußende. Annies Bett ist extra breit und aus glattem, abgerundetem Holz gefertigt. Stabil.
    »Wie hat er es bewegt?« James geht zum Kopfende und blickt auf den Teppich hinunter. »Schleifspuren. Also hat er es zu sich hingezogen.« Er kehrt zum Fußende zurück. »Er muss es irgendwo hier angefasst und rückwärts gezogen haben. Er brauchte einen Hebel …« James kniet nieder. »Er muss es hier unten gepackt und ein wenig angehoben haben.« Er steht auf, geht zur Seite des Bettes, lässt sich auf den Bauch sinken und kriecht bis zu den Schultern unter das Bett. Ich sehe, wie er seine Taschenlampe einschaltet, dann verlöscht der Lichtstrahl. Als James wieder auftaucht, lächelt er. »Kein Abdruckpuder zu sehen.«
    Wir sehen uns an. Ich spüre geradezu, wie jeder von uns in Gedanken die Daumen drückt.
    Die Leute glauben fälschlicherweise, dass Latexhandschuhe die Übertragung von Fingerabdrücken verhindern. In den meisten Fällen stimmt das auch. Aber nicht immer. Diese Art von Handschuhen wurde für Chirurgen entwickelt, damit sie einen sterilen Überzug für ihre Operationen hatten. Gleichzeitig müssen diese Handschuhe wie eine zweite Haut sitzen, damit der Arzt seine Instrumente ohne einen Verlust an Präzision benutzen kann. Das dichte Anliegen und die Dünnheit des Materials können bewirken, dass sich das Gummi den Furchen und Rillen genau anpasst. Falls – zugegeben, die Wahrscheinlichkeit ist gering, doch sie besteht – jemand mit Latexhandschuhen eine Oberfläche berührt, die Abdrücke aufnehmen kann, erzeugt er unter Umständen einen brauchbaren Abdruck. Annies Bettgestell besteht aus Holz. Möglicherweise haben Reinigungsmittel oder Polituren einen Rückstand hinterlassen, der einen Fingerabdruck zu erhalten imstande ist, der selbst durch die Handschuhe des Täters hindurch entstehen kann.
    Zugegeben, eine sehr geringe Möglichkeit. Aber immerhin eine Möglichkeit.
    »Sehr gut«, sage ich.
    »Danke.«
    Öl und Kugellager, denke ich. Ein Tatort ist der einzige Ort der Welt, an dem ich mich mit James verstehe.
    Die Bühne ist vorbereitet. Er hat das Bett in Position gezogen – hierher. Die Kamera steht ebenfalls … dort. Er überprüft alles ein letztes Mal, um sicher zu sein, dass alles perfekt ist. Es ist perfekt. Jetzt widmet er Annie seine volle Aufmerksamkeit. Starrt auf sie hinab.
    Es ist das erste Mal, dass sie die Wahrheit sieht. Er war abgelenkt, hat seinen Schauplatz eingerichtet. Sie hatte immer noch Hoffnung. Jetzt ist sein Blick auf sie fixiert, und sie begreift. Sie sieht Augen, die keinen Horizont besitzen. Sie sind bodenlos, schwarz und gefüllt mit einem Hunger, der niemals endet.
    Er merkt, wie sie begreift. Wie es ihr dämmert. Es macht ihn an, wie jedes Mal. Wieder hat er die Hoffnung in einem anderen Menschen erstickt.
    Es erweckt ein gottgleiches Gefühl in ihm.
    James und ich haben uns zu ihm gesellt. Wir sind da, wir sehen ihn, wir sehen Annie, und aus den Augenwinkeln sehen wir Bonnie. Wir riechen die Verzweiflung. Der schwarze Zug nimmt an Fahrt auf, wird schneller, und wir sind an Bord gesprungen, haben die Tickets gelocht.
    »Und jetzt sehen wir uns das Video noch einmal an«, sagt er.
    Ich doppelklicke auf die Datei, und wir sehen zu, wie die Montage abläuft. Er tanzt, er schneidet, er vergewaltigt.
    Die schiere Heftigkeit seines Tuns lässt das Blut überall hinspritzen, und er kann es riechen, schmecken, die klebrige Glätte durch seine Kleidung hindurch spüren. Irgendwann hält er inne, dreht sich um und sieht zu dem Kind. Bonnies Gesicht ist weiß, und sie zittert am ganzen Leib, als hätte sie einen Krampfanfall. Der Anblick erzeugt eine fast unerträgliche, nahezu orgiastische Symphonie köstlicher Extreme in ihm. Er erschauert, jeder Muskel erzittert vor Emotion und Empfindungen. Er ist nicht nur böse. Er vergewaltigt das Gute. Er fickt es zu Tode. Musik und Blut und Eingeweide und Schreie und Angst. Die Welt erbebt, und er ist das Epizentrum. Er nähert sich dem Höhepunkt, und dann kommt er – jener Punkt, an dem alles in einem blendenden, grellen Licht explodiert, an dem jegliche Vernunft und alles Menschliche verschwindet.
    Es ist ein kurzer Augenblick, und es ist der einzige Moment, in dem sein Hunger und seine Gier schwinden. Ein winziger Augenblick der Erfüllung und Erleichterung.
    Das Messer saust herab, und alles ist voller Blut und Blut und Nässe und Blut, und er steigt höher und höher und höher, steht auf Zehenspitzen auf dem Gipfel eines

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