Die Blutmafia
abschirmte – und blieb stehen. Der Sonnenbrand auf seiner Stirn begann zu jucken. Er hatte die Augen weit offen. Und nun wurden auch seine Ohren heiß.
Ja, es war wie eine Art Schock.
Natürlich war er auf etwas Ähnliches gefaßt gewesen, und über Kitty wußte er auch Bescheid, seit Engel ihm ins Ohr geflüstert hatte: »Kitty? … Bei mir ist das wie bei den Eskimos, Jochen – meine Frauen sind auch deine. Und eines kann ich dir garantieren: Die ist eins-a-HIV-geprüft. Also los, Junge!«
Los, Junge? Aber doch nicht am hellen Nachmittag!
Es herrschte Halbdunkel im Salon. Die Trompete sang, das Schlagzeug tobte. Der Tisch in der Sitzecke war hochgeklappt. Das Schwarz der breiten Ledercouch schimmerte matt im Licht der Messingwandleuchten – und auf der Couch …
Kitty – und das andere Mädchen, das sie in Cala d'Or an Bord genommen hatten, Cleo? Richtig … Cleo war der pure, blutjunge Wahnsinn: Nicht älter als neunzehn. Was es an ihr an Haut, Kurven und Schlankheit zu bestaunen gab, wirkte wie frisch erschaffen. Dazu das dunkle, hüftlange Mahagonihaar, der indianische Gesichtsschnitt mit den schmalen Augen. »Frisch aus Venezuela, Jochen! Was für dich. Hab' ich einem pleitegegangenen Barbesitzer abgeknöpft …«
Jetzt aber hatte Cleo die Augen geschlossen, ihr Mund stand offen, die Oberlippe war über die Zähne gezogen. Cleos Gesicht war nur noch eine Maske von Erregung und Hingabe.
Und über ihr hing Kitty; gerade strich sie dem Mädchen das T-Shirt hoch, die Hände umkreisten die Brust, spielten mit den steil aufgerichteten Brustwarzen, schoben sich unter das Elastikband des Slips. Er kannte die Hände, wußte, was sie auslösten, spürte es geradezu – und Cleo stöhnte, mußte ja stöhnen, aber das Schluchzen des Saxophons übertönte ihre Laute, steigerte sich, als Kittys blonder Kopf, Kittys heller Körper sich zwischen die weit geöffneten Schenkel schob …
»Na, Jochen?«
Engel hing gemütlich im Sessel, hielt ein Sektglas in der Hand und hatte eine Videokamera auf dem Schoß. Die Flasche Moët et Chandon stand neben ihm auf dem Boden.
»Stark, was?!«
Hochstett nickte mit trockenem Mund. Stark? O Gott, sieh dir das an …
Die Frauenkörper hatten sich wild und zuckend verschlungen, Rücken, Brüste, Schenkel, Hände, Haare – welche Glieder wem gehörten, das war kaum noch zu unterscheiden. Das Saxophon gab auf, die Musik verendete; Atmen, Stöhnen, Lustschreie erfüllten den Raum.
»Scharf!« sagte Engel. »Wirklich klasse, oder?«
»Ja«, flüsterte Hochstett. »Schon … Aber die Tür ist doch offen, Thomas. Und wenn jetzt Tonio …«
»Tonio?« Engel lachte und hob die Kamera ans Auge. »Willst du den Bootsmann dabeihaben? Trink, Mensch! Nimm ein Glas.«
Hochstett trank nicht. Er nahm auch kein Glas. Hochstett war zu verwirrt, er blieb nur stehen wie angewurzelt.
»Die Cleo fährt vielleicht ab, was? Wenn die losgeht, wird sie zur Tigerin. Nun sieh doch!«
Hochstetts Gesicht brannte.
Der Spot der Kamera flammte auf, löste die schweißglänzenden Körper aus dem Schatten, ließ kein Geheimnis im Dunkel, zeigte jedes Detail …
»Nun sag, willst du Tonio dazu?«
»Was? – Wie?«
»Ein Dreier, Jochen?« Die Kamera verbarg Engels Gesicht. »Wär auch was für dich. Du mußt üben, Mann … Nun komm schon! Auf, der Laden ist offen. Hier bei Engel gibt's alles, was das Herz begehrt. Eins-a-Ware, Jochen, aidssicher, Junge, und für dich auch noch gratis.«
Und Hochstett streifte sich die Shorts von den Hüften …
Siebzehn Uhr dreißig. Von der Terrasse der ›Windrose‹ konnte man den Liegeplatz 124 sehen. Er war leer.
Der alte Mann im beigefarbenen Freizeitanzug mit dem kleinen, unmöglichen Touristenhütchen auf dem Kopf bestellte Kamillentee. Den dritten. Ein junger mallorquinischer Kellner brachte ihm das Glas.
»Hören Sie mal, Sie kennen sich doch aus am Hafen?«
»Warum?«
»Die Motoryacht, die dort vorne immer liegt …«
»Die Motoryacht, die dort immer liegt? Señor, wie stellen Sie sich das vor? Da gibt's ein paar hundert Schiffe hier im Hafen.«
»Die von Nummer hundertvierundzwanzig.«
Der Junge zwang sich ein Lächeln ab. Was für eine Type! Hockte seit drei Stunden hier, bestellte sich einen Tee nach dem anderen, Kamillentee noch dazu, sah aufs Wasser und zählte Yachten.
»Die gehört einem Deutschen.«
»Ah so? Ein Deutscher?«
»Ja. Hier nennen sie ihn ›Don Thomas‹. Wohnt das ganze Jahr auf Mallorca und hat Geld wie Heu.« Der Junge
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