Die Blutmafia
jedenfalls hatte er nicht zu bieten.
Doch nach was es Rio verlangte, war eine Stimme. Er sah auf seine Uhr: Mitternacht war vorüber. Ludwig würde mit ziemlicher Sicherheit in seiner Pension sein. Um zehn Uhr war er in Frankfurt am Main mit der LH-Maschine gestartet und dann elf Uhr fünfundfünfzig, ziemlich genau um die Mittagszeit, in Palma de Mallorca gelandet …
Heiß war es, verdammt heiß. In der Luft hing Öl- und Benzindunst, doch dahinter glaubte Ludwig Kiefer den Geruch des Meeres zu ahnen. Vorsichtig, sich am Geländer festhaltend, ging er die Rolltreppe hinab. Der verdammte Flug hatte ihn mitgenommen.
Die Flughafenhalle war groß genug, um zwei Fußballfelder aufzunehmen. Vor den Abfertigungsschaltern hatten sich lange Schlangen gebildet. Braungebrannte, hektisch durcheinander schreiende Urlauber, wo man hinsah. Er steuerte den Gepäckkarren mit seinem Koffer durch die Menge. An einem der Touristenshops blieb er stehen.
» Por favor , ich hätte gerne das hier …«
›Das hier‹ war ein unmögliches, zerknautschtes, olivgrünes Touristenhütchen; ›Mallorca‹ stand in blauer Schrift darauf. Er haßte es bereits, als er es in die Hand nahm. Mußte er wie ein Clown rumlaufen? Auf die Baskenmütze jedoch mußte er bei der Hitze verzichten, also blieb nichts anderes als das Hütchen.
In einer der Flughafentoiletten tauschte er die Mütze gegen den Hut. In seinen Eingeweiden rumorte es. Er warf zwei seiner blauen Pillen ein, trank aus der hohlen Hand übel schmeckendes Wasser nach und wartete. Die Peristaltik beruhigte sich.
Ludwig Kiefers nächster Besuch galt dem Schalter des Hertz-Autoverleihs.
»Haben Sie einen Wagen mit Klimaanlage?«
»Aber sicher, mein Herr.«
Er mietete einen Opel Vectra, ließ die Kreditkarte stecken, bezahlte in bar, nahm den Schlüssel in Empfang und setzte sich in den brandneuen Wagen.
Eine Stunde später bog Ludwig Kiefer in den Seitenweg ein, der über die Hügel hinauf zum ›Can Rosada‹ führte. Zypressen, Olivenbäume, Terrassen, das große Haus – selbst die Landschaft war ihm vertraut.
Er stoppte den Vectra auf dem Parkplatz und stieg aus. Die Gebäude brüteten in der Sonne. Sie warfen harte, schwarze Schatten. Es würde einfach sein. Er würde Engel nach einem der Chalets seiner Urbanisación fragen. »Wissen Sie, ich bin Pensionär und interessiere mich für eines dieser Chalets …« Ja, einfach und notwendig. Denn dann würde er ihn sehen, Auge in Auge. Er hatte es sich genau überlegt: Nicht nur Engels Anblick, seine Visage, auch seine Stimme wollte er sich noch gönnen, ehe er ihn endgültig fertigmachte und dorthin schickte, wo er hingehörte.
Um die Ecke des Garagenbaus kam ein Mann. Er hielt eine Schaufel in der Hand und sah ihn an. Er war schwarzhaarig und sehnig.
» Quiero hablar con Señor Engel«, sagte Kiefer. »Ich möchte Herrn Engel sprechen.«
»Don Thomas ist nicht da.«
Er verspürte, wie der Schmerz ihm in den Bauch fuhr.
»Ist er … ist er etwa nicht auf der Insel?«
»O doch, Señor«, lächelte der Mann. »Er ist mit der Yacht rausgefahren. Meist kommt er am Nachmittag zurück, so zwischen fünf und sechs. Natürlich kann's auch später werden. Genau läßt sich das bei ihm nie sagen …«
Ein Fax nach Bernhagen hatte gereicht. Dort konnte Malzberg weiterbasteln, er aber – er genoß den dritten Nachmittag auf der Yacht: Sonne auf der Haut, blaues, klares Wasser, schwimmen, das Essen, die Mädchen, die Möwen dort am Himmel …
Hochstett lag im Liegestuhl und lauschte dem Plätschern der Wellen. Das eigentlich Unglaubliche an diesem neuen Leben war, wie rasch man sich daran gewöhnte.
Er schloß die Augen. Lichtfäden drängten sich durch seine Lider, verschlangen sich zu winzigen, rosafarbenen Knäueln – er war im Begriff einzuschlafen. Doch dann richtete er sich auf. Das Schluchzen eines Saxophons, nun ein Schlagzeug.
Gab Thomas, gaben seine Weiber denn nie Ruhe? Ging das schon wieder los?
Das Schlagzeug schlug den harten, sinnlichen Rhythmus eines Bossa Nova. Bossa Nova paßte vielleicht zu Engel, aber doch nicht in diesen Frieden! Diesmal ankerte die ›Pirata II‹ vor einer mit Felsbrocken gesprenkelten Bucht. Kein Stückchen Sand, kein Mensch zu sehen. Nichts als steil abfallende Felsen – eine Art Fjord.
Hochstett erhob sich. Zum Schlafen kam er wohl nur in seiner Kajüte. Er trat durch die geöffnete Salontür und schob den weiß gestreiften Vorhang zur Seite, der den großen Raum von anderen Blicken
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