Die Blutmafia
für die Bluterpatienten bedeutet hat.«
»Herr Martin! Das wissen Sie heute! Heute sind wir alle klüger … Aber damals, damals schien man doch alles schön im Griff zu haben. Auch die Kontrollen. Schließlich importierte selbst das DRK aus Amerika.«
»Das stimmt nicht.«
»Aber natürlich stimmt's. Man kannte das Virus nicht; es gab noch keine Test-Methoden. Ich habe dafür Beweise. Wer wußte denn Anfang der achtziger Jahre schon über die Aids-Gefahr richtig Bescheid? Selbst wissenschaftlich war noch vieles umstritten damals.«
Rio sah den abgemagerten Greisenkopf der kleinen Angela vor sich. Auch Angelas Mutter war eine durch ein Gerinnungsmedikament infizierte Bluterin gewesen.
»Außerdem gab es Leute, die Alarm schlugen. Herr Engel, zum Beispiel, gehörte zu den ersten, die auf die heraufziehende Risikolage hinwiesen, die von unbekannten oder unkontrollierten Spendern ausging. Er schrieb deshalb sogar an das Landesgesundheitsamt. Er veröffentlichte sogar einen Artikel in unserem Verbandsblatt.«
»Ach ja? – Und was ist mit dieser Firma ›Bio-Med‹?«
»Wie gesagt, sie war ein Ableger von ›Bio-Plasma‹. Im Laufe der Entwicklung, vor allem in den letzten drei Jahren, wurden ihre Aktivitäten erheblich zurückgefahren. Die Geschäftslage hatte sich geändert. Was glauben Sie, wie brutal die Konkurrenz ist. Dies ist ein Verdrängungsmarkt auf der ganzen Linie. Die Großen bestimmen das Geschäft. Für uns fiel der Import ganz flach. ›Bio-Med‹ beschäftigte sich nur noch damit, gewisse Überstände an solche Stellen zu verkaufen, die dafür Interesse hatten.«
»Und was waren das für Überstände?«
Hochstett wiegte den Kopf. Das Lidflattern setzte wieder ein. »Nun, man könnte sie vielleicht als ›Produkte zweiter Wahl‹ bezeichnen.«
»Wie im Kaufhaus. Und das bei Blut?«
»Verstehen Sie mich recht, Herr Martin, bei uns werden alle Ausgangsmaterialien für Medikamente, ob Vollblut oder Plasma, exakt kontrolliert und etwa darin befindliche Viren oder Keime deaktiviert. Und das seit langem. Und, wie ich Ihnen versichern kann, nach den denkbar wirksamsten Methoden … Trotzdem, jeder Produktionsprozeß hat natürlich gewisse, hm, Schwachstellen. Es handelt sich ja um biologisches Material. Doch auch sie werden bei uns beobachtet, und entsprechend rigoros sind unsere hygienischen Maßnahmen. Hier läuft alles steril ab.«
»Und die verbrannten Brötchen sortieren Sie aus und schicken sie an Ihre Bio-Med. Ist es das?«
»Wenn Sie so wollen, ja.«
»Und wer kriegt dann die Ware zweiter Wahl?«
»Dieses Material geht nicht an Patienten. Es wird für wissenschaftliche, also für Forschungszwecke verwandt. Sie wissen doch auch, die wissenschaftlichen Institute sind heutzutage nicht gerade mit Geld gesegnet. Geldknappheit herrscht überall. Trotzdem, die Präparate sind wertvoll, ob es sich nun um Gerinnungsfaktoren, Plasma oder Immunglobuline oder das Albumin handelt, das den Flüssigkeitsaustausch zwischen Gewebe und Gefäßen steuert. Über dreißig Medikamente lassen sich aus Plasma herstellen. Die Institute können damit arbeiten. Bei Tierversuchen zum Beispiel, um gewisse Entwicklungen oder Reaktionen festzustellen.«
»Und dieses Geschäft besorgt die Bio-Med?«
»Richtig. Und dort lag auch unsere Schwachstelle.«
Die Sache wurde spannend. Kaffee genügte nicht. Rio winkte in Richtung Empfang, und einer der Pagen kam heran. Der Journalist bestellte Whisky und sah mit fragendem Blick zu Hochstett. Der aber schien den Pagen nicht einmal zu sehen. Er lächelte, doch an den verschränkten Händen spannten sich die Muskeln.
»Hier könnte tatsächlich ein Zusammenhang bestehen«, fuhr er fort. »Herrn Reissner wurde im Max-Ludwig-Krankenhaus eine Plasmaflasche unseres Hauses verabreicht, Herr Martin.«
»Richtig. Die Nummer 12.436.«
Hochstett sah überrascht hoch, sagte aber nichts. Er verzog nur die Oberlippe und steckte die rechte Hand in die Brusttasche seiner teuren Jacke, holte die Brieftasche hervor, öffnete sie und entnahm ihr ein rechteckiges, zusammengefaltetes Stück Papier. Er legte es auf den Tisch und strich es glatt. Es war ein Firmenaufkleber. Oben links das Zeichen PB, das Rio schon kannte. Darunter eine Reihe von Zahlen, die wohl Code-Angaben für den Verbraucher enthielten.
»Sehen Sie, diese Begleitinformation wird auf jeden Plasmabeute] aufgeklebt. Hier die Blutgruppe. Die Zahl rechts ist die Lieferungsnummer. Bei Reissner die 12.436.« Er starrte Rio an. Rio
Weitere Kostenlose Bücher