Die Blutmafia
nicht! Ich mag keine Typen, die sich ins Zimmer schleichen.«
»Wieso läßt du dann den Schlüssel stecken?«
»Das gibt dir noch lange nicht das Recht …«
Er ging zu ihr ans Bett, legte sich über sie, um sie zu küssen.
So gut war es, sie zu lieben. Ein kleines Paradies am Rande der Zeit, zärtlich und verträumt. Und selbstverständlich war es, anschließend in einen wunderschönen, traumlosen Schlaf zu verfallen …
Es wurde kein traumloser Schlaf.
»Zur Zeit werden die betroffenen Patienten auf Aids getestet …« Hochstetts Stimme geisterte durch sein Bewußtsein. »Aber eine Rückrufaktion ist gar nicht erforderlich. Das Plasma aus der Charge, die mit 12.426 begann und an die Max-Ludwig-Klinik in München geliefert wurde, ist nach so vielen Jahren natürlich längst verbraucht. Das wurde bereits festgestellt …«
Rio zog die Bettdecke hoch. Gegen das Summen des Telefons, das kurze Zeit später den Raum vergiftete, half sie nicht. Er hob ab – es war Bruno. Brunos Baß. Ein sehr ungnädiger Baß.
»Na, wie finde ich das? Ich quäl' mich da in dieser Affenschaukel von München in dieses beschissene Frankfurt, krieg' dort eine unmögliche Leihmühle angedreht, hab' noch 'ne Stunde bis in dein blödes Parkhotel – und du pennst?!«
»Jeder muß mal pennen.«
»Ja«, bestätigte Bruno bitter. »Nur ich nicht.«
Rio krümmte die Hand über die Sprechmuschel: »Hat dir der dicke Olsen das Material …«
»Ist das alles, was du mir an Begrüßung bieten kannst?«
»Nein«, sagte Rio, »noch lange nicht …«
Er sah auf die Uhr. Es war kurz nach acht. Er schob sich so vorsichtig, wie er konnte, aus dem Bett, riß ein Blatt aus dem Notizbuch, schrieb darauf: ›Ich liebe Dich. Aber das ist ja hinlänglich bekannt. Was nicht bekannt ist: Ich muß leider nochmals weg. Weißt schon, warum …‹
Darunter malte er einen Totenschädel und ein Herz und verband das Wort ›warum‹ mit dem Totenschädel durch einen Pfeil.
Er holte sich einen Pulli aus dem Koffer. Die Nacht konnte kalt werden. Dann ging er auf Zehenspitzen aus dem Zimmer und schloß die Tür so leise wie nur möglich hinter sich.
Schwärzlich, ungeschlacht und irgendwie viel zu groß stand Bruno Arend neben den beiden zierlichen Sesselchen am Empfang. Seine schwarzgerahmte Polizistenbrille funkelte Rio entgegen.
»Schon gegessen, Bruno?«
»Currywurst. Grauenhaft! 'ne bessere Frage hast du nicht?«
»Ist doch 'ne gute Frage, Bruno. Dann können wir nämlich gleich losfahren.«
»Und wohin?«
»Erklär' ich dir später.«
»Mit deiner Nutten-Rakete?«
»Klar.«
Er nickte ergeben. »Okay. Dann hol' ich noch die Kamera …«
»Genau wie bei Frittenbuden, Bahnhofstoiletten, McDonald's-Stationen, Erdnußröstereien, Badeanstalten und was weiß ich noch«, regte Rio sich auf, »die haben alle dieselbe Aufsicht. Du kriegst es einfach nicht in die Birne. Und wenn du's drin hast, geht dir der Hut hoch. Nimm Seren oder Impfstoffe, da sind sie genau. Das ist alles den Gesundheitsämtern unterstellt. Und die schauen ihnen auf die Finger. Aber Blut? Fehlanzeige … Für das ganze Blut, das sie in irgendwelchen südamerikanischen Armuts- oder Puff-Gegenden sammelten oder bei uns in den Junkie- und Fixer-Quartieren, um es dann zu ihren herrlichen Produkten zu verarbeiten, da reicht das Gewerbeamt. Kannst du dir so was vorstellen? Ist doch einfach Wahnsinn!«
»Reg dich ab, Rio! Wir sind nun mal in der BRD.«
»Du meinst, als Erklärung reicht das für alles?« Er gab noch mehr Gas. Der Porsche heulte auf. »Wie soll denn so ein Gewerbeamt-Hansel dahinterkommen, wie eine moderne Pharma-Fabrik abläuft? Was versteht denn der von Aids-Tests?«
»Nun, das ist ja, glaube ich, geändert worden.«
»Wurde aber jahrelang in diesem Stil praktiziert. Und das Aids-vergiftete Zeug von damals schwirrt wahrscheinlich noch immer durch die Gegend, liegt in irgendwelchen Kühlschränken, wartet in irgendwelchen Krankenhäusern darauf, Leute umzubringen. Tiefgefroren hält das Zeug ja ewig. Und überhaupt …«
Rio unterbrach sich. ›Nächste Abfahrt Bad Soden‹, stand dort draußen. Hier mußte er sich rechts halten, soweit er sich erinnerte. Von hier ging es nach Eppstein. Und von Eppstein dann weiter – wohin?
»Schau mal auf der Karte nach. Siehst du Eppstein?«
»Ja. Dort biegen wir ab Richtung Hofheim.« Bruno dirigierte ihn die nächsten zwanzig Kilometer. Es herrschte wenig Verkehr. Rio ließ den Porsche laufen.
Es war jetzt neun Uhr. Hier in
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