Die Blutmafia
Herrn Engel gehört? Ist er eingetroffen?«
Hochstett schüttelte den Kopf. Mit seinem Lächeln war es auch nicht so weit her: Ein Tapeten-Lächeln. Eines seiner Augen spielte dabei nicht mit. Es war das rechte, das Lid. Unaufhörlich schloß und öffnete es sich über Hochstetts fahlbrauner Iris.
»Wollen wir uns nicht setzen, Herr Dr. Hochstett?«
Rio sah sich um. In Veras Nähe, auf der Terrasse draußen, Platz zu nehmen, dazu hatte er keine Lust. Einmal wußte er aus Erfahrung, daß Veras Präsenz in derartigen Situationen ihn irritierte, zum anderen mußte vermieden werden, daß Hochstett noch nervöser wurde, als er sowieso schon war.
»Gehen wir doch da rüber in die Ecke. Da sind wir ungestört.« Bequeme Ledersessel gab es hier, einen Tisch, einen Lederdiwan und einen prächtigen Blick über das Städtchen Bernhagen.
Hochstett ließ sich aufseufzend in einen der Sessel fallen, schlug die Beine übereinander und zog an seinen Jeans, als hätte er Bügelfalten glattzuziehen.
»Hübsches Hotel, nicht? Bin oft hier.«
Rio nickte. Verträge und Geschäftsabschlüsse, aber auch die miesesten Schweinereien werden in Hotelecken ausgekungelt. Rings um den Globus. Nicht nur in Bernhagen.
»Darf ich Ihnen was zu trinken bestellen, Herr Doktor?«
»Gerne. Ein Mineral.«
»Mineralwasser. Und einen Kaffee für mich«, befahl Rio dem Kellner. Den Kaffee brauchte er jetzt.
»Schön, Herr Doktor, machen wir's nicht kompliziert. Ich nehme an, daß ich Ihren Besuch der Tatsache zu verdanken habe, daß Sie mir noch etwas mitteilen möchten. Ich bin neugierig.«
»Mitteilen möchten? … Ich weiß nicht, das klingt irgendwie zu definitiv.«
»Wie hätten Sie's denn gerne?«
»Nun, was wir versuchen können, wäre, ein wenig Licht in diese sonderbare Geschichte zu bringen. Meine Motivlage dürfte Ihnen ja klar sein. Jeder Betrieb hängt von seinem Prestige ab. Dabei hat es die Wirtschaft manchmal nicht so leicht im Umgang mit der Presse.«
»Die Wirtschaft? Ich denke, Sie kämpfen in vorderster Front um den Fortschritt der Medizin, Herr Doktor. Bei unserem Gespräch heute morgen hatte ich wenigstens den Eindruck. – Aber Verzeihung, ich wollte Sie nicht unterbrechen.«
Rio wußte jetzt, wie er Hochstett nehmen mußte. Welche Rolle er auch immer in dieser trüben Geschichte spielte – Hochstett hatte die falsche gewählt. Er fühlte sich nicht wohl darin. Vielleicht schon lange nicht mehr. Darin mußte man ihn bestärken. Je mehr man diesen Zustand anheizte, desto größer die Chance, daß er mit einer unbedachten Äußerung eine geeignete Information lieferte.
»Herr Martin, wir sind ein gewinnorientierter pharmazeutischer Betrieb. Nicht mehr und nicht weniger. Anders habe ich Ihnen unsere Firma auch nicht dargestellt.«
»Sind Sie in irgendeiner Form an diesem Gewinn beteiligt?«
Diesmal zuckte das Lid nicht. Der Blick der fahlbraunen Augen wurde ruhig und fest. »Falls Sie's beruhigt – nein. Ich habe nichts als meinen Vertrag mit Herrn Engel.«
Rio gab Sahne und Zucker in die Kaffeetasse. Er tat es mit viel Bedacht. »Ein bißchen wenig, finden Sie nicht? Wie die Dinge nun mal stehen, werden schließlich Sie nicht nur als Geschäftsführer, sondern auch als wissenschaftliche Kontrollinstanz verantwortlich gemacht werden.«
»Wie die Dinge nun mal stehen, sind wir in einer ziemlich üblen Lage. Da haben Sie vollkommen recht, Herr Martin … Und für diese Lage gibt es für mich nur eine einzige Erklärung.«
»Und die wäre?«
»Ich muß dazu ein wenig ausholen. Die Firma ›Bio-Plasma‹ hatte ziemlich seit Anbeginn – ich stieß ja erst viel später dazu …«
»Wann war das denn?« unterbrach ihn Rio.
»Neunundachtzig.« Er wirkte nun ganz entspannt. Die Hotelecke schien ihm gutzutun. Wie oft mochte er hier schon gesessen haben, der Wissenschaftler und Transfusions-Mediziner? Man zieht einen Dr. Hochstett zu Geschäftsabschlüssen hinzu, schon aus Prestigegründen.
»Wie gesagt, die Firma hat schon vor vielen Jahren eine Tochtergesellschaft, die ›Bio-Med‹, gegründet. Nur war ›Bio-Med‹ nicht lange selbständig, Herr Engel wandelte sie bald in eine Art Außenstelle für die Abwicklung der Blut-Importe und den Weiterverkauf von Überschüssen um, während wir hier in Bernhagen wiederum mit der Eigenproduktion beschäftigt waren.«
»Importe? Woher?«
»Das waren vor allem amerikanische Sendungen. Sie wissen ja, wie das damals war …«
»Ja. Ich weiß auch, was dieses amerikanische Blut
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