Die Blutmafia
Jetzt hatte er Hunger, richtigen Hunger.
»Nun komm schon raus damit, Junge: Was willst du hier?«
»Mir diesen ›Bio-Med‹-Laden ansehen.«
»Jetzt hast du ihn ja gesehen. Nichts. Und kein Schwein ist da.«
»Von außen hab' ich ihn gesehen, Bruno! Daß wir hier niemanden finden würden, war mir von vornherein klar. Das hat mir schon Hochstett gesagt.«
»Was hat er gesagt?«
»Nun, daß dieser Lars Boder, der Mann, der hier wohnt und für ›Bio-Med‹ verantwortlich sein soll, verreist ist. Verreist oder abgehauen.«
»Scheint bei denen wie die Grippe zu sein. Der Oberchef ist weg. Der hier auch …«
»Ja, der hier auch. Ich habe trotzdem gleich nach meinem Gespräch mit Hochstett hier angerufen. Nicht einmal ein Anrufbeantworter.«
»Und dieser Boder soll die berühmten Plastikbeutel mit falschen Nummern getürkt haben?«
»Das behauptet Hochstett.«
»Und warum?«
»Nun, Hochstett hat mir seine Theorie angeboten. Boder habe das Schrottmaterial, das sie ihm zum Vertrieb anlieferten …«
»Schrottmaterial – was soll denn der Ausdruck? Ich denke, es handelt sich um Plasma?«
»Ja, es handelt sich um Plasma. Aber nicht ausreichend gereinigtes Plasma. Statt an irgendwelche wissenschaftlichen Institute, die es für Tierversuche verwenden, habe Boder es an ordentliche Kunden wie Kliniken und Krankenhäuser weitergeliefert. Und mit diesem genialen Einfall wollte er angeblich Engels Firma in den Ruin treiben. So in etwa lautete die Erklärung.«
»Und das glaubst du?«
»Ich? So weit, daß ich in dieser Geschichte etwas glaube, bin ich noch lange nicht. Aber los jetzt, Bruno. Fangen wir an!«
Einmal, nur ein einziges Mal hatte Honolka sie im Fernglas gehabt. Da hatte er sie ganz deutlich sehen können – doch nur für zwei miese Sekunden. Und das war nun auch schon wieder einige Stunden her …
Dabei hatte er gehofft, sie würde den Liegestuhl auseinanderklappen und sich auf den Hotelbalkon legen. War doch ein prächtiger Nachmittag gewesen, Baby. Oder etwa nicht? Die Sonne schien. Wieso hast du dir nicht den Bikini geholt oder die Klamotten ganz ausgezogen? Wäre doch nett gewesen. Das Glas hier hat ne Sechzehner-Verstärkung. Damit hol' ich mir noch dein kleinstes Härchen in den Bus … Aber nein: Tür zu, Vorhänge runter! Haben's wohl getrieben, die zwei. Gut, okay. Ich komm auch noch dran, verlaß dich drauf …
Honolka sah auf seine Uhr: Kurz nach neun.
Er hatte das Wohnmobil am Rande einer Baugrube geparkt. War ganz praktisch so, zwischen dem Kieshaufen und der Baugrube fiel der ›Westfalia‹ noch weniger auf.
In der Baugrube hing alles rum wie Kraut und Rüben, morsche Paletten, Gerüste, braun von Rost. Na, da geht einer Pleite, vermutete Honolka, oder das vornehme Parkhotel dort drüben hat einen Einspruch dazwischengeknüppelt. Noch eine prima Chance gab ihm der Platz: Die ganze Süd- und sogar die Rückseite des Hotels, all die feinen Balkönchen mit ihren gefalteten Sonnenschirmen, weißen Korbmöbeln und zusammengeklappten Liegen – alles war einzusehen.
Doch nun war es dunkel, und es brannten die Lichter.
Honolka hatte einen Stuhl in die Mitte des Wohnwagens gestellt und die Dachluke aufgeschoben, um eine bessere Übersicht zu bekommen. Doch es gab nichts mehr zu sehen. Er dachte an das Dreiecksgesicht, an das dunkle, vielleicht kastanienbraune Haar …
Er schloß die Klappe, ließ den Stuhl stehen, goß sich aus der Thermoskanne eine Tasse Tee ein, trank und rauchte eine Zigarette. Dreiecksgesicht – dachte er wieder. Hübsch … Als sie sich auf dem Balkon umdrehte, um zurück in ihr Zimmer zu gehen, hatte er sie von hinten bestaunen können. Einen ganz knackigen Jeans-Arsch hatte sie. Und eine Taille – Mannomann, was für eine Taille!
Ihr Porsche-Typ aber war weg. Und der andere, dieser Krüppel-Opa mit dem Hinkebein, auch. Wahrscheinlich würden die länger wegbleiben. Und kämen sie vorzeitig zurück, wären sie auch kein Problem.
Was machst du mit der Kleinen?
Nicht fertigmachen, nur einen Schock verpassen, lautete sein Auftrag. Nun, den Schock sollte sie haben …
Honolka fühlte sich jetzt rundherum besser. Der Strom hatte sich eingeschaltet, das war es. Starkstrom, jawohl … Er schoß ihm bis in die letzte der Nervenzellen, ließ sein Gehirn glühen, brachte alles in Schwung, 'ne heiße Sache wird das, ja, 'ne ganz heiße Sache …
Er holte die Handschuhe und das Würgeband heraus und legte sich beides zurecht. Dann begann er damit, sich die leichteren
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