Die Blutmafia
die Gemeindeverwaltung den Schlüssel überreicht. Auch der Sarg – kein Problem … Oder vielleicht doch? – Salvatore hatte Unrecht gehabt. Statt der Steine oder der Zementsäcke, die sie erwarteten, lag doch eine Leiche darin. Keine schöne, keine heile, nach dem ganzen Hin und Her wirklich keine frische. Außerdem roch sie fürchterlich.
Die Story ihres Sargeinbruchs lief durch alle Redaktionen. Nur, Rio hatte nie ein gutes Gefühl dabei gehabt. Und jedesmal spürte er einen gewissen Druck gegen den Magen, wenn er daran erinnert wurde.
Denselben wie jetzt. Selbst der Mond wirkte so richtig krimimäßig. Bruno aber fluchte begeistert weiter. Dort reinzukommen, wo man ihn nicht drinhaben wollte – für Bruno war es nichts als eine Herausforderung. Er hatte seinen Beruf verfehlt, er hätte Einbrecher werden sollen.
»Tss-tss-tss«, machte er jetzt. Das war ein gutes Zeichen. Rios Porsche-Bordwerkzeug taugte was. Wieder ein Knirschen. Diesmal so laut, daß Rio unwillkürlich hochfuhr.
Er ließ den Punkt seiner Bleistiftstablampe tanzen. »Bruno?«
»Komm«, kam es flüsternd zurück.
Rio ließ sich die Mauer hinabgleiten und suchte das Fenster. Doch das Fenster gab's nicht mehr. Nicht einmal mehr der Rahmen war vorhanden. Beides, Rahmen und Glas, lehnte am Boden.
»Schwein gehabt. Da war der Pilz im Holz, verstehste … Deshalb ließ es sich einfach mit dem Montiereisen raushebeln.«
»Und jetzt?«
»Jetzt? Na, du gehst durchs Fenster. Und dann öffnest du die kleine Tür, nicht die nach vorne zur Straße, sondern die an der Seite. Die hat nur 'nen Riegel. Klar?«
»Klar.« Bruno hob ihn hoch, Rio schaffte es besser, als er es sich selbst zugetraut hätte. Zuerst öffnete er die Tür. Sie war aus Metall, aber nur durch einen einfachen Riegel gesichert, wie Bruno festgestellt hatte.
Bruno trat ein, legte den Kopf zurück und schnüffelte. »Riecht nach Gammel … Mach doch 'n Licht an.«
»Spinnst du?«
An den Wänden des ersten Raums zogen sich Regale entlang. Sie waren leer – wenn man von einem Satz Autoreifen und einem Schuhkarton absah. Rio trug jetzt Handschuhe, wie Bruno ihm das befohlen hatte: Feine, dünne Gummihandschuhe.
Er öffnete den Deckel des Kartons. Muscheln lagen darin. Muscheln, an irgendeinem Strand oder irgendwelchen Stränden gesammelt; dort, wo es blaues Wasser und viel, viel Sonne gab. Weit weg jedenfalls.
Der Raum, der sich anschloß, hatte in etwa dieselbe Größe wie der Regalraum: Vier mal fünf Meter. Durch ein ziemlich großes Fenster fiel von draußen, von der Straße, fahles Licht ein. Der Raum wirkte kleiner, als er war, denn die Stirnwand entlang zog sich eine Art stählerne Schrankwand. Sie war grauschwarz. Die Griffe der Türen schimmerten. Rechts, etwa in Kopfhöhe, leuchtete eine rote Anzeige: ein Kühlschrank, nein, eine Kühlwand. Von den Plastikbeuteln, die Rio kannte, gingen da eine Menge rein.
»Ist da Blut drin?« flüsterte Bruno.
Rio schüttelte den Kopf. »Plasma. Wenn überhaupt … Oder vielleicht 'ne Leiche …«
»Witzbold.«
»Mensch, Bruno, hat das Fenster keinen Vorhang? Sieh mal, da drüben, die Schreibtischlampe würde völlig reichen.«
»Es gibt keinen Vorhang. Aber 'n Rollo.«
»Na, um so besser …«
Bruno ließ ihn herab und versuchte einen möglichen Lichtausfall noch dadurch zu unterbinden, daß er die Sitzkissen der drei Stühle, die es hier gab, gegen die Plastiklamellen lehnte.
Rio schlug ihm auf die Schulter – das Jagdfieber hatte ihn jetzt gepackt.
Langsam ging er auf den Schrank zu und öffnete die erste Tür …
Der Stuhl stand in der Mitte des Wohnmobils, direkt neben dem Tisch mit der Lampe. Ihre Handgelenke und Fußknöchel hatte er mit einer Leine an die Stuhlbeine gefesselt, den Mund und den unteren Teil ihres Kopfes mit einem Schal eingebunden. Er konnte sie schließlich nicht losbrüllen lassen.
Jedesmal, wenn sie einatmete, bildete der Stoff eine leichte Einstülpung, die wie ein kleiner Krater wirkte. Sah komisch aus … Wieso holte sie sich ihre Luft nicht durch die Nase? Er mit seiner Strumpfmaske, sie mit dem Schal vor dem Gesicht, sie waren schon ein tolles Paar!
Er tänzelte um sie herum: »Man müßte uns fotografieren, meinste nicht?«
Sie zerrte die Handgelenke nach oben …
»Bringt nix, Baby. Und überhaupt, was hast du bloß dagegen? Soll ich dir mal was sagen: Ich hab' mal 'n Mädchen gekannt, das stand drauf. Das wollte immer festgebunden werden dabei. Mit ganz dicken Stricken. Beine, Arme,
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