Die Blutmafia
Und dort in der Ecke – ein weißes Surfbrett.
Brunos Blitz flammte auf. Na, eines wenigstens hatten sie erreicht: Lars Boder begann sich in einen Menschen aus Fleisch und Blut zu verwandeln.
Im Wohnzimmer ließ Rio die in weißes, feines Gummi gehüllten Fingerspitzen seiner linken Hand über den Fernseher streichen und betrachtete das Resultat: dicker Staub. Hier drinnen schien sich seit Wochen keiner mehr um Sauberkeit gekümmert zu haben.
»Komm, mach zu«, drängte Bruno.
Rio nickte, ging nochmals in die Küche und fand im Putzmittelabteil unter der Spüle Rollen mit Plastikbeuteln für den Mülleimer. Er riß einen ab. Dann gingen sie zurück in das Plasmadepot.
Rio nahm vier der Beutel, steckte sie in den Plastiksack und knurrte: »Jetzt nichts wie weg …«
Draußen war's still. Ein leichter Wind wehte vom Tal herauf. Rio fröstelte, doch Grund war nicht die Kühle, die der Wind mitbrachte.
Bruno warf den Beutel auf den Rücksitz. »Und was willst du damit anfangen? Vor 'ner Stunde sind wir nicht zurück im Hotel. Und dann ist es Mitternacht. Willst du dann noch mit dem Koch reden, damit er dir die Dinger in die Kühltruhe steckt, oder was?«
»Genau«, sagte Rio. »Das wirst du übernehmen, denke ich.«
Er warf einen Blick auf die Uhr und ließ den Porsche den Abhang hinabrollen, an Boders Haus vorbei. Das Nachbargrundstück war von einer weißen Mauer umgeben. Dahinter sah man schattengleich die horizontale Linie eines Bungalows. Eines der Zimmer an der Frontseite war noch beleuchtet. Die Helligkeit lag wie ein goldener Abglanz auf dem Stamm einer Birke.
Rio schaltete das Standlicht an und stieg aus. »Bleib hier, Bruno.«
Der Fotograf zuckte nur mit den Schultern. Im Zement des rechten Türpfeilers war eine Messingkombination aus Briefkastenschlitz, Klingel und Sprechanlage eingelassen. Rio drückte dreimal – schüchtern erst, dann entschlossen und länger. Die Anlage knackte. »Ja.«
»Mein Name ist Martin. Rio Martin. Entschuldigen Sie bitte die späte Störung …« Er verlieh seiner Stimme den vertrauenbildenden seriösen Unterton, der der Situation wohl angemessen war. Es war die Stimme eines wohlerzogenen, wenn auch ratlosen Bittstellers: »Wissen Sie, ich komme aus München, war in Frankfurt, und der Umweg hierher ist doch ziemlich groß. Ich suche nämlich Herrn Boder …«
»Was hab' ich mit dem zu tun?«
»Natürlich nichts. Ich wollte eigentlich nur wissen … nun, es ist nämlich so … Herr Boder ist Surfer wie ich, verstehen Sie. Windbrett-Sportler.« Hieß das Ding überhaupt Windbrett, verdammt noch mal? – Egal. Der Mann schien begriffen zu haben. »Nun, wir waren vor einem Jahr zusammen in Varna, in Bulgarien. Wir haben uns dort rein zufällig getroffen. Aber leider hatte ich dann einen Getriebeschaden an meinem Wagen, und so was ist in Bulgarien verdammt unangenehm. Also hat sich Herr Boder erboten, meine Ausrüstung, mein Surfbrett und die Segel mit nach Hause zu nehmen.«
»Ja und?«
»Nun, das ist so …« Rios Halsmuskel tat schon weh, so tief mußte er sich zu dieser blöden Sprechöffnung hinunterbücken. »Ich wollte meinen Krempel wieder abholen. So eine Ausrüstung ist nämlich sehr teuer. Ich hab' Herrn Boder schon einige Male angerufen, aber ohne Erfolg, und deshalb dachte ich, wenn ich hier in der Gegend vorbeifahre …«
»Moment mal …«
Lange dauerte es nicht, keine zwanzig Sekunden, und die Tür dort oben öffnete sich. Rio kniff die Augen zusammen, denn zur selben Sekunde waren an den Seiten des flachen Baus Sicherheitsscheinwerfer aufgeflammt, deren Licht ihn blendete. Als ob das nicht ausreichte, hielt der Mann, der über den Plattenweg auf ihn zukam, auch noch eine Taschenlampe in der rechten Hand. Es war ein großer, breitschultriger und ziemlich dicker Mann. Rio konnte nur seine massive Silhouette ausmachen. Haare hatte er keine. In all diesem Licht schimmerte eine Kugelglatze. Nun blieb er stehen, und zumindest die Taschenlampe erlosch.
»So, der Herr Boder hat Ihnen dieses Dingsda geklaut. Und was soll ich dabei …«
»Entschuldigen Sie! Ich kann nicht sagen, daß Herr Boder mein Surfbrett geklaut hat. Ich bin überzeugt davon, daß ich es mitnehmen könnte, wenn er nur hier wäre. Und deshalb dachte ich mir, ich frag' mal bei Ihnen als Nachbar an, ob Sie wissen, wann er zurückkommt.«
»Da sind Sie an der falschen Adresse.« Er hatte eine tiefe, beinahe weiche Stimme. Nun wurde sie hart. »Boder ist weg. Schon lange. Der Stromableser
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