Die Blutmafia
war auch schon bei mir – seinetwegen. Und soll ich Ihnen noch was sagen: Ihr Surfbrett hat der sicher schon längst verscherbelt. Ich hab' ihm mal meinen Rasenmäher geliehen. Dreimal mußte ich rübergehen, bis er ihn wieder rausrückte. So einer ist das.«
»Ah so!« Rio gab sich Mühe, seine Stimme bekümmert klingen zu lassen. »Sie sagten, er sei schon lange weg. Wie lange denn?«
»Genau kann ich Ihnen das auch nicht sagen. Ich bin erst darauf aufmerksam geworden, als sich bei ihm überhaupt nichts mehr rührte. Da hab' ich den Briefträger gefragt. Der wußte auch von nichts. Keine Nachsendeadresse. Keine sonstige Anschrift. Und so was will 'ne Firma sein.«
»Ich hab' gar kein Firmenschild bemerkt!«
»Das hat er schon vorher weggeschraubt. Das war etwa … einen Monat bevor er sich völlig verdünnisierte.«
»Hm«, machte Rio, »na, dann bitte ich Sie nochmals um Entschuldigung für die Störung. Gute Nacht.«
Der Dicke zögerte mit der Antwort. Vielleicht hatte er noch mehr auf Lager. Rio jedoch fehlte die Lust, sich noch weiteren Tratsch anzuhören. Er ging zum Porsche.
Bruno schob ihm die Tür auf. Verdünnisiert, dachte Rio. Aber wie? Und wohin?
»Meine Frau ist – was?«
Weit schob sich Rio über den Empfangstresen des Parkhotels. Ungläubig starrte er in das glattrasierte Gesicht des jungen Mannes, der dahinter stand. Es war nicht der nette Herr Weigert. Ein junger Blonder mit einem glatten Kindergesicht hatte die Nachtschicht übernommen.
Im gedämpften Licht der großen weiten Halle gingen Menschen hin und her. Alle waren sie mächtig aufgedreßt: ›Jahresbankett des Reitervereins Bernhagen‹ hatte Rio auf einem Hinweisschild gleich am Eingang gelesen: ›Großer Festsaal‹.
All die Menschen in ihren Smokings und Abendkleidern wirkten auf Rio unwirklich wie Abziehbilder. »Reden Sie doch, Mensch …«
»Ihre Frau – ich meine die gnädige Frau ist bedauerlicherweise überfallen worden.«
»Bedauerlicherweise überfallen worden?« Der Vogel hier war verrückt … Mußte es sein.
Bruno schob sich heran und stellte die Ellbogen auf die Holzplatte: »Wo ist Frau Martin jetzt?«
»Hier im Hotel. Auf ihrem Zimmer.«
»Ist sie verletzt?«
»Glücklicherweise nein. Ich habe meinen Dienst ja erst um einundzwanzig Uhr angetreten. Aber soweit ich das verstanden habe, ist Frau Martin von einem Mann mit einem Messer bedroht worden. Man hat sie völlig verstört unten an der Auffahrt gefunden.«
Rio rannte los. In der Halle stieß er prompt mit einem der Paare zusammen, die gerade dem Festsaal zustrebten. Der Aufprall war so heftig, daß die Frau im blauen Abendkleid den Halt verlor und gestürzt wäre, wenn ihr Begleiter nicht sofort zugegriffen hätte.
»Eine unglaubliche Rüpelei«, brüllte er hinter Rio her, aber da war der bereits im Lift. Seine Fingerspitzen trommelten erregt gegen die goldfarbene Metallverkleidung der Kabine.
Endlich … Aus einer Tür am Ende des Korridors trat ein beleibter Mann und kam langsam auf ihn zu.
Rio blockierte ihm den Weg. »Wer sind Sie?«
Der Mann hatte ein glattes, gut durchblutetes Gesicht. Er musterte Rio durch seine Hornbrille. »Und Sie …«
»Ich heiße Martin. Und Sie kommen gerade aus meinem Zimmer. Verdammt noch mal, was ist hier los?«
»Ach, Herr Martin, gut, daß Sie jetzt da sind … Ich bin Arzt. Es besteht kein Grund zur Aufregung, Herr Martin, Ihrer Frau geht es wieder gut. Ich habe ihr gerade ein Beruhigungsmittel gegeben.«
Rio rannte weiter, stieß die Tür auf, durchquerte den Vorraum, der zum Bad führte, und öffnete die zweite Tür. Das Doppelbett stand auf der rechten Seite. Links am Fenster gab es eine Sitzgruppe und gegenüber dem Bett einen Sekretär. Zwischen Sekretär und Bettende standen zwei Männer. Beide waren um die Vierzig, beide trugen sie Lederjacken und den leicht bekümmerten Polizistenausdruck im Gesicht. Ein dritter Mann saß in einem Sessel in der Ecke. Er war grauhaarig. Graugestreift war auch sein tadellos sitzender Anzug mit der zweireihigen Jacke. Er erhob sich bei Rios Eintreten.
Vera lag auf dem Bett.
Sie lag ganz still. Ihre Augen waren geöffnet. Ein Bettuch bedeckte sie. Darauf lagen ihre Hände. Sie waren gekreuzt, als habe man sie aufgebahrt.
»Vera!«
Sie gab keine Antwort. Rio sah, daß einer der beiden Männer dort ein paar Jeans in den Händen hielt. Nun legte er sie sorgsam auf den Sekretär und drehte sich Rio zu, doch der Mann im Zweireiher war der erste, der
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