Die Blutmafia
Dabei tat er sich besonders bei der Vermittlung von Industriegelände hervor. Erste Erfolge waren wohl dem richtigen Parteibuch und seinen Beziehungen zur Stadtverwaltung Paderborn zuzuschreiben. Seine Firma, die ›City-Bau‹, mußte jedoch bald wegen offensichtlicher Finanzschwierigkeiten (die angegebenen Einlagen bei der Eintragung ins Handelsregister wurden nie erbracht) auf gerichtliche Anordnung geschlossen werden.
Trotz dieser Rückschläge gelang es Engel, einen der bedeutendsten Pharmahersteller der Region, Dr. Max Hollmann, auf sich aufmerksam zu machen. Das führte dazu, daß er, nachdem Hollmann ins Pharma-Verbandspräsidium aufgestiegen war, als Arzneimittelhersteller-Lobbyist nach Bonn geschickt wurde. Dort gelang es ihm Anfang der siebziger Jahre schnell, enge Kontakte vor allem zu jüngeren Bundestagsabgeordneten zu knüpfen. Seine Tätigkeit für die Pharmabranche hinderte Engel nicht, sich geschäftlich überall dort zu betätigen, wo eine schnelle Rendite zu erwarten war. Ob es um Immobilien, Rüstungs- und Waffendeals, Forschungsgelder oder Lizenzen ging, Engel versuchte überall mitzumischen. In diese Zeit fiel auch seine Heirat mit der Tochter eines Legationsrats. Die Ehe wurde jedoch bereits sechs Monate darauf geschieden.
Engel, der einen reichlich aufwendigen Lebensstil pflegte, wurde bald Stammgast in den einschlägigen Lokalen der Kölner und Düsseldorfer Szene. Um Pharma-Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und durchzusetzen, hatte es Engel verstanden, zuständige Beamte beim Bundesgesundheitsamt auf sich einzustimmen. Seine Methode ging dabei über die üblichen ›kleinen Aufmerksamkeiten‹ weit hinaus. Unter den Geschenken, die er verteilte, befanden sich Originalwerke namhafter moderner Künstler wie Ungerer, Jensen und Monetti . Derartige Geschenke erhielten auch einige wichtige Mitglieder der zuständigen Bundestagsausschüsse. Für ihn wichtige Leute wurden auf seine Finca nach Ibiza eingeladen und reichlich bewirtet. Dort hatte Engel, diesmal mit spanischen Partnern, eine neue Immobiliengesellschaft zu touristischen Zwecken gegründet.
Seit August 1984 ist Engel nicht mehr als Pharmavertreter in Bonn aufgetreten. Er wandte sich einem einträglicheren Geschäftszweig zu: dem Handel mit Blut. Hier stieg er zunächst durch Importe vor allem aus amerikanischen und südamerikanischen Ländern ein, sattelte aber bald mit der Gründung der ›Bio-Plasma‹, Bernhagen, auf die Produktion von Plasma und Blutpräparaten um. In Bonn wurde sein Ausscheiden mit einem gewissen Bedauern registriert. Der ›schnelle Thomas‹ galt als eine der schillerndsten und interessantesten Figuren der Lobbyisten-Szene …
Der ›schnelle Thomas‹ … Waffengeschäfte, Forschungsgelder, Blut-Importe, Plasma … Der Mann war nicht nur schnell, er war vielseitig. Und was war er noch? Wer sich einen Typ wie diesen Messerkünstler leistete, der mußte selbst nicht ganz dicht sein. Aber auch diese Erkenntnis half nicht weiter. Blut-Importeur, Playboy, Kunstsammler. Bonn, Ibiza, Bernhagen – ja, was denn noch? Unter all den Sprücheklopfern, die sich in diesem Land ihre Karrieren zusammenzimmerten, schien er es tatsächlich besonders eilig gehabt zu haben.
Die Tür ging auf. Hanni Eisner, die kampferprobte Reportersekretärin, steckte den Kurzhaarkopf durch den Spalt.
»Hör mal, Rio! Ich hätt's beinahe vergessen: Da kamen zwei Anrufe für dich. Ein Herr aus der Schweiz und …«
»Laß mich in Frieden, Hanni. Ich hab' wirklich zu tun.«
»Aus der Schweiz, Rio …«
»Laß mich in Frieden – bitte!«
»Na gut. Ich hab's dir gesagt.« Sie warf ihm einen Notizzettel mit einer Nummer auf den Tisch und verzog sich beleidigt.
Rios Hand suchte unter der Zeitung … Ah, hier war das Päckchen! Er hatte sich vorgenommen, sich seine Zigaretten einzuteilen. Alle vier Stunden eine. Die Zeit war gekommen. Er zündete sich die Zigarette an, nahm einen tiefen Lungenzug, spürte, wie der Rauch sich wie ein fremder Eindringling in den Bronchien ausbreitete, und drückte das verdammte Ding wieder aus.
Da war doch etwas, das dir aufgefallen war? Ungerer, Jansen, Monetti … Kunst als Schmiergeld. Eigentlich ganz originell. Und mit den Malern bewies er sogar eine gewisse Klasse. Hatte er nicht selbst immer von einem Jansen geträumt? Tommi Ungerer, der war unerreichbar. Unerreichbar teuer. Und Monetti? Den kennst du doch auch …
Doch es waren nicht nur die astronomischen Summen, die Galeristen für Bilder oder
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