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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Haus, keines, in dem der Leichnam eines ihrer Kumpane an der Hintertür hing.
    Er schaute noch einmal auf Altans Leichnam. Sein Mörder war durch das Fenster im ersten Stock eingestiegen, während seine Leute die Fenster einwarfen. Ein waghalsiger Mann. Ein gefährlicher Mann. Ein Mann, dessen schlauer Plan mit seinem eigenen Mut stand und fiel.
    Der Überfall musste zeitgleich mit der Attacke der Schweizer Garden im Hôtel de Bethizy stattgefunden haben, und das Signaldafür hatte dieselbe Glocke gegeben. Und das war ohne Vorwarnung nicht möglich. Hatte ein Verbündeter in der Miliz oder in der Palastwache den Mann informiert? Die Bürgermiliz war nicht planvoll vorgegangen; die Milizleute waren zu spät gekommen und selbst jetzt noch verwirrt. Wie lange vorher hatte man den Mann in Kenntnis gesetzt? Um einen Angriff dieses Ausmaßes vorzubereiten, selbst wenn man eine disziplinierte Truppe hatte – die bereit war, mitten in der Samstagnacht Möbel, Kleidung und Mehl fortzuschaffen –, brauchte man mindestens wie viele Stunden? Vier?
    Niemand hätte Altan Savas so überrumpeln können, wenn er nicht vorher gewusst hätte, dass der Serbe anwesend war und was seine Fähigkeiten waren. Wären dies bloß Einbrecher gewesen, ganz gleich wie viele, so hätte Tannhäuser Altan noch lebend vorgefunden, wie er auf der Straße ihre Leichen zu einer Mauer auftürmte. Um eine so durchdachte Belagerung zu planen und durchzuführen, mussten die Mörder genaue Informationen über das Gebäude besessen haben. Dergleichen ließ sich nicht improvisieren.
    Dazu brauchte man mehr als ein paar Stunden.
    Tannhäuser hatte sich selbst schon oft außerhalb des Gesetzes bewegt, in Sizilien, Venedig, Istanbul und Nordafrika. Er konnte sich in die Pariser Räuberbanden hineinversetzen. Die Besten unter ihnen rieben sich wohl gerade den Schlaf aus den Augen und witterten die Chance ihres Lebens. Sie hatten gewiss lange vor der Polizei und den Milizen Wind vom bevorstehenden Überfall auf die Hugenotten bekommen. Vielleicht sogar vor der Palastwache. Ihre Leute waren die niedrigen – und daher unsichtbaren – Menschen, ohne die der Louvre gar nicht funktionieren konnte, die die königlichen Exkremente fortschaufelten, deren Frauen vom Duc d’Anjou vergewaltigt wurden, damit der seiner Mutter seine Männlichkeit beweisen konnte. Und doch hatte diese Bande das Hôtel d’Aubray gegen starke Verteidiger überfallen und ausgeraubt und war vor Tagesanbruch verschwunden. Doch hier war zwar gute Beute zu holen gewesen, aber Hunderte anderer Häuser boten weit bessere bei geringerem Risiko.
    Man hatte sich dieses Haus mit großer Absicht als Ziel ausgewählt.
    Dies war kein Pech.
    Genauso wenig wie die Verzögerungen, die verhindert hatten, dass er eher hier ankam.
    Carla war nicht ermordet worden, man hatte sie hingerichtet.
    Die einzige Alternative war, dass Madame d’Aubray und ihre Kinder das Ziel waren, Carla nur eine unglückselige Zufallsbekanntschaft. Doch das erklärte nicht, warum er und Orlandu die letzte Nacht in einer Zelle im Louvre verbracht hatten. Oder warum man Orlandu, Carlas Sohn, in den Rücken geschossen hatte.
    Die Mörder hatten Anweisungen von jemandem bekommen, der über den geplanten Mord an Coligny und seinen hugenottischen Helfern im Voraus Bescheid wusste. Diese Entscheidung war laut Arnauld aber erst spät am Vorabend getroffen worden. Doch dies war nur die letzte Zustimmung eines schwachen Königs gewesen. Den Plan selbst hatte man wohl schon lange vorher ausgeheckt; eine ganze Galerie von Lügnern und Intriganten hätte diese Aufgabe übernehmen können. Jedenfalls hatte man für diesen Anschlag auf Carla Informationen aus den innersten Kreisen des Louvre gebraucht.
    Tannhäuser schaute auf und sah Juste, der zu ihm herunterschaute. Er war bleich und furchtsam.
    »Das Zimmer wurde auch ausgeraubt – sogar die Matratze ist weg …«
    »Du hast eine tote Frau dort gefunden.«
    »Ja, Sire.«
    »Sag mir alles.«
    »Alles?«
    »Ist sie alt? Jung?«
    »Nicht so jung, aber auch nicht alt. Ein normales Alter für eine Frau. Vielleicht dreißig?«
    Carla war fünfunddreißig. »Was ist ihre Haarfarbe?«
    Juste runzelte die Stirn und schaute zur Decke. Er schüttelte zur Entschuldigung den Kopf.
    »Ich weiß es nicht. Sie hatte einen Topf auf dem Kopf.«
    »Einen Topf ?«
    »Einen Nachttopf.«
    Tannhäuser presste die Lippen zusammen. Juste wich einen Schritt zurück.
    »Ich habe ihn abgenommen, aber da war auch Blut,

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