Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
den König zuerst einen angeklagten Gefangenen aufzusuchen.
» Du hättest gleich zu Sigismund gehen sollen«, sagte Hedwig.
» Nein«, erwiderte Köne. » Er wird verstehen, dass ich zuerst meinen Bruder und meine Schwester begrüßen wollte. Die Erschütterung, den einen tot und die andere als Gefangene vorzufinden, hat mich aus dem Gleichgewicht gebracht. Von so einem Betroffenen kann auch er keinen Bückling erwarten.«
Etwas an seinem Tonfall klang falsch und verriet Hedwig, dass seine Sorglosigkeit nichts mit dem Schutz zu tun hatte, den ein Trauernder oder vom Schicksal Geschlagener möglicherweise beim König genießen mochte. » Von der Lügerei habe ich wirklich genug. Was hast du in der Hand, das dich schützt?«, fragte sie.
Überrascht und gleichzeitig spöttisch sah Köne sie an. » Warum sollte ich das einem kleinen Weibchen wie dir verraten? Das Weib ist nicht dazu geschaffen, Geheimnisse zu hüten. Es sollte dir doch reichen zu wissen, dass ich mir keine Sorgen mache.«
Wilkin räusperte sich. » Nun, aber ich wüsste es auch gern. Und lass dir gesagt sein, dass du keine Ahnung davon hast, wie gut mein Weib Geheimnisse zu hüten versteht.«
Unsicher, ob er es freundlich meinte, sah Hedwig ihn an, doch er wich ihrem Blick aus.
Köne wiegte nachdenklich sein Haupt. » Wie zwei, die es so mit der Ehrlichkeit haben wie ihr, überhaupt so lange durchs Leben kommen konnten, das weiß ich nicht. Nichts für ungut, Wilkin, aber du bist schon immer als Hirsch in der Schweinerotte bekannt gewesen. Ich werde euch sagen, warum der König es nicht eilig hat, mich gefangen nehmen zu lassen. Er hat damals in Nürnberg durch seinen Familiaris Henmann Offenburg Gerhardt von Schwarzburg und den von Torgaus freie Hand gegeben, die Verbindung zwischen dem Sohn des Kurfürsten und der Polin mit allen Mitteln zu verhindern. Davon habe ich erfahren, als ich dort eine Unterredung mit einem von Torgauschen Lakaien hatte. Ich war gerade in der richtigen Stimmung, nachdem der Putlitzer Cord mir erzählt hatte, was die Bande auf dem Weg nach Nürnberg verbrochen hatte. Nun, Sigismund hätte es nicht gern, wenn die Welt erführe, was er zu tun bereit war, damit Friedrich ihm nicht über den Kopf wächst. Versteht mich nicht falsch, mein Verhältnis zu seiner Majestät ist durchaus gut, wir verstehen uns. Ich bin bescheiden und kämpfe treu für ihn, und er gewährt mir die eine oder andere Gunst. Wir sind beide zufrieden und trinken gern zusammen.«
Wilkin schüttelte mit fassungsloser Miene den Kopf. » Du hast Glück, dass du noch lebst.«
Köne lachte schallend. » Wer hat das nicht? Aber ich sage dir eins: Von mir weiß unser König genau, dass ich auf seiner Seite stehen werde, solange er mich gut behandelt, und nicht auf der des Kurfürsten. Von dir weiß er, dass du wacker wie stets in der Mitte stündest, und sollte auch die Erde aufreißen und dich verschlingen. Friedrich wusste, warum er dich als Bindeglied zum König einsetzte, das wiederhole ich dir gern noch einmal.«
Hedwig entnahm seinen Worten vor allem, dass zumindest die Anschuldigungen gegen ihre Brüder beim König nicht auf fruchtbaren Boden fallen würden und sie sich um Köne wenig Sorgen machen musste. Wilkin hingegen begriff, dass seine starke Bindung an den Kurfürsten für den König nie ein Geheimnis gewesen war. Sein Schicksal hing also davon ab, ob sich das Verhältnis zwischen den beiden hohen Fürsten ein weiteres Mal retten ließ.
Köne verließ sie spät, aber nicht so spät, dass er keine Unterkunft mehr finden würde.
Hedwig ging mit Wilkin hinauf, und sie beide zögerten vor ihrem Schlafgemach. Wilkin hatte den Knauf der Tür schon in der Hand, als er sich Hedwig noch einmal zuwandte. » War es Zufall, dass du Albrecht bei den Ställen begegnet bist?«
» Nein, ich habe ihn dort gesucht, um ihn zu warnen. Ich hatte gehofft, dass er einen Boten zu seinem Vater schickt. Sonst hätte ich es getan.«
Er nickte und besann sich einen Augenblick. Als er sprach, sah er zu Boden. » Hedwig, ich habe ein paar harte Dinge zu dir gesagt und bedaure, wenn ich ungerecht war. Es war gut, dass du zu Albrecht gegangen bist, so wie es oft gut war, was du in der Vergangenheit getan hast. Ich weiß nicht, wie diese Sache endet. Aber für den Fall, dass ich… dass man mich schuldig spricht und ich nicht mehr dazu komme, es wiedergutzumachen… Ich meinte es nicht so, als ich sagte, ich hätte keine andere Wahl gehabt, als dich zu heiraten. Ich war
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