Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
der junge Friedrich war nach Krakau an den polnischen Hof gebracht worden, um dort, in seiner zukünftigen Heimat, seine Erziehung und Ausbildung zu vollenden.
Nun, zwei Jahre später, hatte der Kurfürst einen entscheidenden politischen Schritt für seinen erstgeborenen Sohn Johann in die Wege geleitet. Er überließ dem Neunzehnjährigen die brandenburgische Markgrafenwürde und setzte ihn als Verwalter des Landes ein. Zu den Huldigungsfeierlichkeiten wurde jeder Brandenburger von Rang und Namen erwartet, und der Kurfürst wollte unbedingt, dass auch Jung-Friedrich anwesend war. Wilkin und Cord sollten ihn in Krakau abholen und nach Berlin begleiten, wo sein Bruder die Huldigungen entgegennehmen würde.
Dieter sollte dem drei Jahre jüngeren Friedrich in den drei bis vier Reisewochen als Gefährte Gesellschaft leisten. Wilkin ahnte, dass die beiden Jungen sich nicht viel zu sagen haben würden, fand es aber auch aus anderen Gründen nützlich, Dieter mitzunehmen.
Letztendlich war es dann er selbst, der sich mit Jung-Friedrich die Zeit vertrieb. Er kannte den nun Zwölfjährigen von klein auf und war früher dessen Idol gewesen. Mittlerweile hatte der Junge bedeutsamere Vorbilder, doch ein wenig Bewunderung hegte er noch immer für Wilkin, der seinerseits über die hohe Bildung und die ausgeprägten Ansichten des Kleinen staunte. So plauderten sie über weite Strecken des langen Weges hinweg, während Dieter stumm hinter ihnen ritt und Cord mit ihrer Begleitung von acht Männern argwöhnisch die Umgebung im Auge behielt.
Je näher sie Berlin kamen, desto häufiger kreisten die Gespräche um das große Turnier, das die Huldigungsfeierlichkeiten begleiten würde. Wilkin gehörte nicht zu den Besten in der Disziplin des Tjosts, bei dem zwei Reiter mit Lanzen gegeneinander antraten, aber auch nie zu den Ersten, die ausschieden. Er hatte seinen Spaß an dem Nervenkitzel, konnte es aber nicht mit denen aufnehmen, die diese besondere Art des Wettkampfes zu ihrem Lebenszweck gemacht hatten. Besser schnitt er im Kolbenturnier ab, bei dem mit stumpfen Waffen nach der Helmzier des Gegners gejagt wurde. Hier kamen ihm seine Schnelligkeit und Erfahrung im echten Kampf zupass. Er hätte gern einmal gesehen, wie Cord sich im Turnier behauptet hätte, doch seinem Freund blieb die Teilnahme wegen seiner fehlenden Ritterwürde verwehrt.
Cord schlug sich vom Tage ihrer Abreise aus Krakau an mit steigendem Unwohlsein herum, und das hatte nichts mit dem letzten Krauteintopf zu tun, den er dort gegessen hatte. Von Anfang an hatte er nicht verstanden, warum der Kurfürst seinen jungen Sohn, dem er eine so wichtige politische Stellung verschafft hatte, der gefährlichen langen Reise durch Polen und Brandenburg aussetzte. Für gewöhnlich war Cord gern unterwegs, doch dieses Mal sehnte er die Ankunft in Berlin herbei. Gleichzeitig fühlte er sich nach all den Tagen voller Anspannung und Ereignislosigkeit immer unbehaglicher, je näher sie Berlin kamen. Er konnte sich nicht von dem Verdacht befreien, dass noch etwas geschehen musste. Die Gelegenheit, Jung-Friedrich zu beseitigen, um das Geschlecht derer von Zollern vom polnischen Thron fernzuhalten, erschien ihm zu verlockend für deren Feinde.
In den Wäldern zwischen Lübbenau und Teupitz wurden seine Vorahnungen so stark, dass jeder knackende Zweig und jeder aufgestörte Vogel ihn beunruhigten. Die Straße schnitt sich allmählich tiefer in die umgebenden sandigen Erhebungen ein, es wurde schwieriger, die Umgebung zu überblicken. Er sah, dass auch Wilkin, der sich während der Reise unermüdlich mit Jung-Friedrich beschäftigt hatte, nicht arglos war. Immer häufiger wandte sein Freund den Kopf, wenn sich im Gesträuch zwischen den entfernter stehenden Bäumen rechts und links des Weges etwas regte.
Cord war noch immer erstaunt darüber, wie sehr er Wilkin von Torgau ins Herz geschlossen hatte. Er konnte verstehen, dass Jung-Friedrich ihn bewunderte, denn auch er selbst tat es insgeheim. Sein Leben lang hatte er es mit Rittern zu tun gehabt, die ihm nicht ehrenhafter als beliebige Bauern vorgekommen waren, oder mit Fürsten, die ihre Ehre besonders hoch hielten und im Verborgenen die verworfensten Falschheiten verbrachen. Wilkin jedoch schien ihm beinah dem Lied eines Dichters entsprungen, so ehrlich und aufrecht hielt er sich an die ritterlichen Tugenden. Gelegentlich war es nicht einfach, deshalb nicht die Geduld mit ihm zu verlieren, aber oft genug stellte Cord fest, dass er
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