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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Gesicht aus der Nähe sah. Sie hatte zu ihrem Kummer und auch zu ihrer Beschämung über die Jahre die Züge ihres Ziehvaters aus dem Gedächtnis verloren. Wilkins Anblick ließ sie wieder erscheinen. Sie wusste schnell, dass sie es nicht über sich bringen würde, unnötig unfreundlich zu ihm zu sein, wenn er es nicht zuerst war.
    Er verneigte sich vorbildlich vor ihr und legte die linke Hand auf seinen Schwertknauf, während er mit der rechten sanft gestikulierte. Da Hedwig den Blick gesenkt hielt, fiel ihr schnell auf, dass er Richards altes Schwert trug. Überrascht sah sie auf und stellte fest, dass er sie mit einem ganz anderen Ausdruck betrachtete als drei Jahre zuvor.
    » Jungfer von Quitzow, ich weiß, dass es vermessen von mir ist, auf Eure Gunst zu hoffen, nachdem ich mich bei unserem letzten Zusammentreffen nicht höflich gegen Euch benommen habe. Doch gestattet mir zumindest, mich bei Euch zu bedanken. Ihr habt mir damals in einer Nacht in Nürnberg das Leben gerettet. Hätte ich nicht Euer Schwert gehabt, wäre es mir schlecht ergangen.«
    Sprachlos starrte Hedwig ihn an. Spottete er über sie? Oder konnte wirklich eine höhere Macht Richard dabei geholfen haben, auf diese Weise seinen Sohn zu schützen?
    Cord entband sie vorerst von einer Antwort. » Welches Schwert? Warum…?«
    » Das Schwert meines Ziehvaters«, sagte Hedwig schnell. » Er gab es mir bei seinem Tod und bat mich, es Wilkin zu bringen. Das habe ich getan.«
    Staunend sah Cord ihr in die Augen. » Bist du deshalb in sein Zelt gegangen? Das war gar nicht wegen deines Bruders?«
    Ihre Wangen wurden heiß und ihre Handflächen feucht vor Scham. Sie hatte damals tatsächlich nicht ganz begriffen, wie ungeheuerlich sie sich verhalten hatte. Verlegen schüttelte sie den Kopf. » Ich wusste überhaupt nicht, dass Dieter bei ihm war.«
    Cord wandte sich Wilkin zu. » Du hast mir nie davon erzählt.«
    » Was hätte ich erzählen sollen? Du treibst immer deinen Spott mit Wundern. Und für mich war es eines. Ich gestehe, dass ich anfänglich selbst nicht wusste, was ich von der Sache halten sollte. Heute weiß ich, dass ich tot wäre, wenn Hedwig mir nicht zur rechten Zeit dieses Schwert gegeben hätte«, sagte er und lächelte sie so verehrungsvoll an, dass ihr noch heißer wurde.
    Die Begegnung mit ihm verlief wieder einmal völlig anders, als sie es sich vorgestellt hatte. » Ich freue mich, dass es so gekommen ist, aber es ist nicht mein Verdienst. Wäre ich nicht gewesen, wäre der Allmächtige Euch wohl auf andere Weise zu Hilfe gekommen.«
    » Ich wage, Euch zu widersprechen, und behaupte, dass es einen besonderen Sinn hatte, dass die Fügung mir gerade Euch sandte. Vielleicht wollte der Himmel mir meine Verblendung beweisen, die mich ein vorschnelles, überhebliches Urteil über Euch fällen ließ. Ich bin untröstlich darüber und weiß, dass ich auf Eure Vergebung nicht hoffen darf. Dabei wäre ich heute überglücklich, wenn ich mich rühmen dürfte, ein Zeichen Eurer Gunst ins Turnier zu führen.«
    Wieder verneigte er sich und schaffte es damit, Hedwig in heillose Verwirrung zu stürzen. Schlimmer wurde es noch dadurch, dass Cord sich nun auf einmal seltsam verhielt. Er wich plötzlich einen Schritt von ihr zurück und starrte Wilkin an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Wilkin schien es nicht zu bemerken, er sah ihr gebannt ins Gesicht. Benommen schüttelte sie den Kopf. » Mich hat noch nie jemand um ein Zeichen meiner Gunst gebeten. Ich weiß gar nicht…«
    Cord schien sich wieder zu fangen und lachte trocken. » Ich habe mich schon immer gefragt, ob alle edlen Frauen an den Vortagen der Turniere jederzeit ein Tüchlein im Ärmel mit sich führen, das sie hervorziehen können, wenn der Ritter ihrer Wahl sie darum bittet.«
    Klang er verärgert, oder bildete sie sich das nur ein? Hedwig überspielte ihre Verlegenheit mit einem Lächeln. » Ich habe so etwas jedenfalls nicht in meinem Ärmel. Und außerdem muss ich zuerst meinen Onkel fragen, bevor ich…«
    » Das kannst du gleich tun. Da kommt er«, unterbrach Cord sie und zeigte auf Johann und Irina, die sich ihnen eilig näherten. Irina hatte sich äußerlich verändert. Die farbenprächtigen Gewänder, die sie als Spielweib getragen hatte, waren unauffälliger Kleidung gewichen, und in ihren Gesichtszügen spiegelten sich Leid und eine leise Bitterkeit wider, die sie seit Adams gewaltsamem Tod nicht verlassen hatten. Dennoch hielt Hedwig die zierliche Irina mit ihrem

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