"Die Bombe is' eh im Koffer"
vorhanden ist.
So fängt angesichts des hellgrauen Rahmens etwa jedes hundertste Kind zwischen drei und sechs Jahren zu heulen an, als wären sämtliche Leute, die vor ihm durch die Sonde gegangen sind, im Nichts verschwunden. Obwohl ja alle völlig unbeschadet auf der anderen Seite zu sehen sind. Da kann sogar die Mutti vorher durchgehen und winkend auf der anderen Seite stehen, das überzeugt den kleinen Justin noch lange nicht. Da hilft dann im Extremfall nichts anderes, als mit Kind und Mutter um die Kontrollstelle herum zu gehen und die Untersuchung eben mit der Handsonde nachzuholen. Die sieht dann aus wie ein Seifenblasenreifen oder Muttis Lockenstab, das ist manchmal für Kinder weniger bedrohlich. Und wenn das alles nicht hilft, ist es auch kein Problem. Denn das Geheul eines Kindes beim Absonden beeinflusst das Ergebnis nicht im Geringsten.
An der Torsonde gilt eine Spielregel, und die lautet: Wenn die Torsonde pfeift, piept oder klingelt, muss von Hand gesondet werden. Und unser Ziel war, nicht öfter handzusonden als nötig. Das passiert ohnehin oft genug, und in vielen Fällen dazu noch völlig grundlos. Die Torsonde pfeift nämlich nicht nur, wenn sie Metall findet. Die pfeift auch einfach mal aus Prinzip.
Dieses Prinzip wird ihr regelmäßig neu eingetrichtert. Nicht von den Luftsicherheitsassistenten, sondern eigens von einem spezialisierten Team. Ich war nie dabei, wenn dieses Team kam, ich gehe sogar davon aus, dass die Leute normalerweise nachts an den Geräten herumschrauben, wenn die Kontrollstelle unbesetzt ist. Dann prüfen sie, ob das Gerät technisch in Ordnung ist, etwa so, wie wir das täglich zum Arbeitsbeginn an der Kontrollstelle machen, aber noch etwas gründlicher. Und dann geben sie der Torsonde den Nervensägenfaktor des Tages ein. Der besteht aus zwei Parametern: dem Quotenalarm und der Berührungsempfindlichkeit.
Der Quotenalarm besagt dabei, wie viele Passagiere aus Prinzip mit der Handsonde untersucht werden sollen. Sagen wir: jeder dritte oder jeder fünfte. Wir könnten selbstverständlich auch jeden fünften per Hand abzählen, aber die Torsonde verhindert Diskussionen mit den Passagieren wie » Aber das hat doch gar nicht geklingelt!« Und sie verhindert, dass die Quote der Bearbeitungsunlust genervter Luftsicherheitsassistenten zum Opfer fällt. Und diese Unlust wäre nicht mal so unverständlich, denn es gibt Tage, da ist die Torsonde so kleinlich eingestellt, sagen wir auf » vier von fünf Leuten«, da kommt man aus dem Kontrollieren überhaupt nicht mehr raus. Und das, obwohl einem völlig klar ist, dass es auf der ganzen Welt gar nicht so viel Metall geben kann, wie einem die Torsonde weismachen will. Den Quotenalarm korrigieren können wir jedoch nicht, das Gerät und die Befugnis dazu haben nur die Fachteams. Und man weiß ja auch nicht, ob’s tatsächlich am Quotenalarm liegt. Die Berührungsempfindlichkeit ist schließlich beinahe genauso wichtig. Da gibt es Tage, da klingelt die Sonde schon, wenn eine Fliege drauf landet. Und dann wieder solche, da wäre die Torsonde sogar bei einem Erdbeben das Einzige im Flughafen, was sich nicht muckt.
Um uns nicht wundzusonden, war unser Ziel daher ein Zweifaches: den Passagieren das Metall vorher abzunehmen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie die Sonde um Gottes willen nicht berühren oder sonst irgendwie gegen sich und uns aufbringen. Üblicherweise gibt der Einweiser dabei sein Bestes, indem er eine Variante folgender Luftsicherheitsassistenten-Volksweise aufsagt: » Gehen Sie bitte zügig geradeaus, gehen Sie ohne anzuhalten durch die Torsonde, ohne sie zu berühren.« Aber selbst, wenn der Kollege sich die größte Mühe gibt, nicht in einen monotonen Singsang zu verfallen, wenn er schön betont spricht, wenn er sich konzentriert wie Al Pacino bei der dreiundsechzigsten Wiederholung einer Szene, und wenn er es tatsächlich auch beim zweihunderteinundvierzigsten Mal so klingen lässt, als sei ihm der Satz gerade erst eingefallen, selbst dann gibt es Leute, die an dieser doch mäßig herausfordernden Übung scheitern. Und zwar jede Menge. Das fängt schon beim Durchschreiten an.
Eigentlich kann man beim Durchschreiten nichts falsch machen. Man kann im Stechschritt durch, man kann ganz eckig gehen wie die alten Ägypter auf ihren Wandzeichnungen, man kann auch auf einem Bein durchspringen. Einer der Klassiker für Kinder zwischen acht und zehn Jahren ist das Torsonden-Diving: Das kann man Kindern manchmal
Weitere Kostenlose Bücher