"Die Bombe is' eh im Koffer"
Passagiere durchgehen. Und die Kollegen kontrollieren einen, wie sie jeden anderen Passagier auch kontrollieren würden.
» Habt ihr noch alle Tassen im Schrank?«, fragt man sich dann.
Ich bin dann bei passender Gelegenheit einfach mal zu den Kollegen von der Bundespolizei gegangen. Nur aus Neugier. Oder aus Prinzip. Oder weil mir die Füße wehtaten.
» Sagt mal, das mit der Torsonde, was ist denn der Witz dabei?«
» Torsonde?«
» Na, dass man als Luftsicherheitsassistent in einer Richtung durch darf und in der anderen nicht.«
» Ach so, klar. Das ist so.«
» Ich hab gehört, das kommt von euch?«
» Nee, das kommt von oben.«
» Ja, schon klar, dass ihr euch das nicht ausdenkt. Ich meine: Was ist der Grund dafür? Das macht doch hinten und vorne keinen Sinn!«
» Dienstanweisung.«
Ab da hab ich’s aufgegeben.
Meine These: Die Anweisung stammt von Gott.
Osama leuchtet ein
Dass wir tatsächlich Osama bin Laden gefunden haben, verdanken wir eigentlich den Nazis. Oder dem Nazi. Wobei man den Herrn sicher nicht Nazi nennen darf, also sagen wir so: Er dachte halt ganz, ganz vaterlandstreu.
Ansonsten war er nicht auffällig. Er war so um die sechzig, groß, dürr, graue Haare, Seitenscheitel– aber nicht so einen Seitenscheitel. Mehr so einen wie Helmut Schmidt, also wirklich extrem unverdächtig, und so sah er selbst auch aus: Er trug einen Lederblouson, ich sag mal: Bomberjacke ohne Bomber, also wirklich sehr harmlos, man hätte ihn insgesamt eher in der Altherrenabteilung bei C&A vermutet, etwas missmutig, meistens in Begleitung einer genauso alten Dame mit grauen Haaren und einem beigen, abgewetzten Regenmantel, die so was sagt wie: » Himmel, stell dich nicht so an, zum Neunzigsten von Tante Annemie geht dein alter Anzug wirklich nicht mehr!«
Bei uns hatte er seine Bekleidungsberaterin nicht dabei, sondern einen Trolley, den er bei der Kontrolle auf die Stahlrollen wuchtete. Judith saß am Monitor.
» Wahnsinn, Achim«, sagte sie, » guck dir das mal an!«
Ich guckte rüber und war beeindruckt. So ein Monitorbild ist üblicherweise eine ziemlich bunte Sache, aber hier spürte man als Erstes den Wunsch, mal mit der flachen Hand auf den Bildschirm zu klopfen. Der Koffer war stockschwarz, und nur an den Rändern merkte man, dass der Monitor nicht ausgefallen war, sondern tatsächlich nur zeigte, was er im Koffer registrierte: Metall, Metall, Metall. Als wäre jemand direkt von einem Schrotthandel gekommen. Also öffnete ich den Koffer.
Der Monitor hatte Recht. Das Ding war randvoll mit altem Blech– mit Orden. Eiserne Kreuze, Verwundetenabzeichen, alles, was das Herz begehrt. Wir sahen uns ratlos an. Wir vermissten die Hakenkreuze. Die haben nämlich einen Vorteil: Sie sind eindeutig verboten, und man weiß, was zu tun ist. Bei Hunderten von Orden konnten wir zwar das ein oder andere Hakenkreuz nicht ausschließen, aber so beim ersten Durchwühlen fanden wir zunächst keins. Was tun?
Wir holten den Einsatzleiter.
Der warf einen kompetenten Blick in den Koffer, sagte: » Ja, prima!« Dann bilanzierte er seine umfassenden Erkenntnisse mit:
» Keine Ahnung. Waffen sind’s jedenfalls nicht.«
Das Team machte inzwischen die Kontrollstelle dicht, um uns herum tummelten sich die Neugierigen. Der C&A-Kunde schnaubte ungeduldig durch die Nase und erkundigte sich, ob wir denn keine Patrioten wären. Das war uns keine rechte Hilfe, obwohl ich den starken Eindruck hatte, dass er fand, es sollte uns eine sein.
Ein Kollege warf zwischendurch ein, man könne die Dinger doch als Wurfsterne verwenden, und dann seien sie sowieso verboten. Ich beschloss, die Rätseleien abzukürzen und machte mich auf, die Polizei zu holen. Kurz darauf kam ich mit zwei Polizeibeamten wieder. Die guckten beeindruckt in den Koffer und rätselten fröhlich mit.
Hinter mir sprach sich der patriotische Rentner für mehr nationales Denken aus. Ich geriet kurz ins Grübeln darüber, ob die Kombination von » national« und » Denken« nicht grundsätzlich ein Widerspruch wäre. Aber noch bevor ich mir eine abschließende Meinung gebildet hatte, hörte ich, dass man offenbar beides problemlos durch eine » vaterländische Gesinnung« ersetzen konnte. Das klang einleuchtend. Weniger einleuchtend war, warum der Herr seine Zulassung als Militaria-Händler nicht eher auf den Tisch gelegt hatte.
Das hätte er ja gleich sagen können. Sympathischer wäre er mir dadurch allerdings auch nicht geworden. Wir ließen ihn durch. Aber es
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