"Die Bombe is' eh im Koffer"
sogar dann telefonieren muss, wenn er eigentlich mit anderen Menschen reden sollte. Sagen wir: an der Supermarktkasse, während die Kassiererin ihm sagt, was der Einkauf kostet. Oder im Restaurant, wenn der Kellner gerade gekommen ist, um die Bestellung aufzunehmen. Das sieht dann fast unhöflich aus, wenn man einfach weitertelefoniert, aber so unhöflich meinen die wichtigen Leute das gar nicht.
Das ist genau so, wie wenn die Bundeskanzlerin gerade mit Herrn Berlusconi redet, dann klingelt ihr Handy und Barack Obama ist dran. Da muss sie natürlich ans Telefon, ist ja klar– obwohl der Herr Berlusconi dann vielleicht denkt: » Och, ich bin ihr wohl nicht so wichtig wie der US -Präsident.« Aber das muss man eben in Kauf nehmen, als wichtiger Mensch, der andere wichtige Menschen kennt, und genau so ist das dann auch, wenn die wichtigen Leute an der Supermarktkasse telefonieren. Obwohl nicht immer Barack Obama anruft. Manchmal hört man dann Sätze wie:
» Staubsaugen brauchen Sie diesmal nicht, putzen Sie lieber die Fenster.«
Oder:
» Ach nee, ich bring das dann nachher in die Reinigung.«
Aber das sind wahrscheinlich nur Code-Wörter für irrsinnig geheime Missionen. Jedenfalls erkennt man die einen wichtigen Menschen jetzt am Handy.
Die anderen, fast noch wichtigeren Menschen haben einen iPod im Ohr.
Diese Menschen sind so wichtig, dass sie theoretisch dauernd angerufen werden würden, von anderen auch oder beinahe genauso wichtigen Menschen. Sie würden so oft angerufen, dass es sie völlig wahnsinnig machen würde, und um das zu verhindern, müssen sie sich eine künstliche Privatsphäre schaffen. Sie müssen sich hin und wieder von der Außenwelt abschotten, indem sie Musik hören, und diese Musik ist dadurch mindestens genauso wichtig wie jedes Handy, wahrscheinlich aber noch wichtiger. In jedem Fall ist diese Musik wichtiger als der Restaurantkellner oder die Supermarktkassiererin mit ihren kleinbürgerlichen Vorstellungen vom Bezahlen. Woraus man schlussfolgern kann, dass der distinguierte Herr an der Kontrollstelle nicht ganz so wichtig war, denn er hatte ja nur ein Handy. Was uns wiederum zu Herrn Weber bringt, der Einweiser war.
Der Herr ging am Einweiser vorbei, immer das Handy am Ohr. Es war im Übrigen durchaus möglich, dass er dabei mit Barack Obama telefonierte. Allerdings setzt das voraus, dasser mit dem Präsidenten auf sehr vertrauter Ebene verkehrte.
» Ja, Kleines, ich bin ja in zwei Stunden bei dir.«
» Haben Sie’n Laptop dabei?« Das war Jerry.
» Ja, Kleines, ich hab dir das Chopard aus Paris mitgebracht.«
Ich überlegte mir rasch, ob es jetzt besser oder schlechter für den Herrn wäre, wenn Chopard neuerdings Laptops produzierte. Letztlich war es egal, Jerry kam langsam auf Betriebstemperatur.
» Hallo, der Herr«, röhrte er launig, » das ist hier eine Sicherheitskontrolle!«
» Aber ja, mein Kleines«, telefonierte der Herr, » entschuldigen Sie, bin gleich fertig…«
Das konnte man jetzt als Indiz werten, dass er Jerry bemerkt hatte.
» Nein, mein Kleines, ich steh’ hier an der Sicherheitskontrolle, mit dir bin ich doch nicht fertig, mein Kleines, haha…«
Nun hört man an solchen Sätzen, dass die wichtigen Menschen sich der ungünstigen Situation im Grunde durchaus bewusst sind. Eine Möglichkeit wäre daher, das Gespräch zu beenden. Man wird jedoch feststellen, dass von hundert wichtigen Menschen neunundneunzig eine andere Option wählen, nämlich einen Satz einzustreuen wie: » Ich stehe hier an der Sicherheitskontrolle.« Dieser Satz soll zeigen, wie wichtig das Telefonat ist. So wichtig, dass man nicht der einen Person am anderen Ende der Leitung sagt: » Ich ruf dich in fünf Minuten zurück, wenn ich sowieso am Gate stehe und vor lauter Zeit nicht weiß, wohin mit mir.« Sondern stattdessen allen anderen Menschen um einen herum zeigt, dass man jetzt ihretwegen auch noch mitten im Gespräch erklären muss, wo man sich gerade befindet: an der Sicherheitskontrolle.
Oder auch: » …ich stehe hier an der Supermarktkasse…«
Dann hat der wichtige Mensch meistens das Handy zwischen Backe und Schulter geklemmt und steht auch ein wenig verkrümmt da, und mit der anderen Hand wühlt er unter seinem langen Mantel seinen Geldbeutel aus der Hosentasche, den er dann auf den Kassentisch legt und mühsam öffnet, weil er ja nur eine Hand zur Verfügung hat, die andere ist wegen der Schulter-Handy-Klemm-Aktion nicht so beweglich. Und erst kriegt er den Geldbeutel
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