"Die Bombe is' eh im Koffer"
ständig als » süüüß« bestaunt worden, und die war hässlich wie ein Wurzelstrunk. Das hat sich zwar mit den Jahren entschieden gebessert, aber ich weiß seither trotzdem, wie diese Hormonausschüttungen den Frauen die Welt rosig färben.
Kollegin zu einem blond gelockten Knirps:
» Na, du bist aber ein ganz Süßer!«
Knirps:
» Mama, die Frau baggert mich an!«
Nicht dass Sie denken, ich hätte was gegen Kinder. Kinder sind prima, aber wir sind hier an einer Sicherheitskontrolle. Und ich bin ja meinetwegen noch bereit, zuzugestehen, dass ein Kind vielleicht meistens harmlos ist, obwohl man sich bereits darüber streiten kann, vor allem, wenn man mal eine Tochter in der Pubertät gehabt hat. Aber nur wegen des Kindes sind es die Eltern noch lange nicht. Und jetzt mal ohne Witzeleien: Diese Erkenntnis hat mich zwei Kolleginnen gekostet.
» Du, Onkel, ich kann zaubern.
Ich kann machen, dass die Luft riecht.«
Wir waren im dicksten Trubel, an die zweihundert Leute warteten in der Schlange vor der Kontrolle, und als Nächstes war eine hübsche Orientalin dran, gepflegt, ganz verhüllt in ein elfenbeinfarbenes Tuch, aber das Gesicht hatte sie freigelassen. Sie hatte ein höchstens sechs Monate altes Kind dabei, das ich auch als gut aussehend bezeichnet hätte. Aber generell war das nicht meine Angelegenheit, es war die meiner beiden Kolleginnen. Die kümmerten sich zunächst um die Mutter. Und dann wäre eigentlich auch der Säugling fällig gewesen.
Mit Kindern, zumal mit den ganz kleinen, geht man vorsichtig um. Man nimmt sie nicht nur nicht auf den Arm, man lässt sie auch nicht durch die Torsonde, vorsichtshalber und aus demselben Grund, weshalb man auch Schwangere nicht durchlässt. Die vorgesehene Vorgehensweise ist so, dass man den Säugling auf dem Arm der Mutter abtastet. Letztlich ist da ja auch nicht viel abzutasten, an einem Säugling kann man nicht viel schmuggeln. Und wenn es Probleme gibt oder wenn die Mutter zu besorgt ist, kann man das auch vom medizinischen Dienst machen lassen. Das dauert zwar ein bisschen, bis der eintrifft, weil’s da am Flughafen nicht so viele Stützpunkte gibt wie zum Beispiel von der Bundespolizei, aber wenn’s sein muss, tun wir auch das. Im Grunde geht es ohnehin nur um die Windel, in die allerhand reinpasst, was man da nicht unbedingt vermuten würde. Nach der Mutter wollten die beiden Kolleginnen also den Winzling checken – und dann fing der an zu weinen.
Junge wehrt sich gegen die Kontrolle, spuckt, tritt, schreit:
» Das dürfen Sie gar nicht, ich bin erst sieben!«
Kollege:
» Und wenn du so weitermachst, wirst du keine acht.«
Losheulende Säuglinge gehören mit zu den schlimmsten Alpträumen eines Luftsicherheitsassistenten. Denn bei ungünstiger Konstellation sind heulende Säuglinge extrem gefährlich. Der Grund ist, dass sämtliche Frauen um die vierzig dann komplett ausrasten. Die lassen alles stehen und liegen und eilen zu Hilfe, weil sie die Ratlosigkeit der Mutter zu sehen glauben oder denken, sie müssten sich mit ihren Tipps beeilen, weil das arme, arme Kind jede Minute wieder zu heulen aufhören könnte.
» Sind sicher Blähungen!«
» Nehmen Sie Sab Simplex!«
» Wird er grad umgewöhnt?«
» Hat meiner auch immer gemacht– man muss die Fußsohlen kühlen!«
» Brauchen Sie eine Salbe?«
» Oder besser Öl…?«
» Ich kannte mal wen, der hat die falsche Salbe genommen…!
» Sie sollten unbedingt…«
» Machen Sie auf keinen Fall…«
» Was hat er denn?«
» Ooooch…«
» Aaachhh…«
» Streicheln!«
» Reiben!«
» Im Uhrzeigersinn!«
» Rhythmisch!«
» Aber nie im Leben!«
» Aber sicher doch!!!«
» Bitte sind Sie vorsichtig,
ich komm bald in die Pubertät!«
Losheulende Säuglinge und vierzigjährige Frauen bescheren in Sekundenschnelle ein heilloses Chaos. Und heilloses Chaos ist nie gut für eine geordnete Sicherheitsüberprüfung. Das kann dann Pech für uns sein. Oder aber es ist im Gegenteil der Sinn der Sache und hat nichts mit Glück oder Pech zu tun, sondern mit einem gezielten Kniff in den schnuckelig-süßen Oberschenkel.
Man beginnt als Luftsicherheitsassistent so zu denken. Das ist ein wenig so wie die Geheimdienstdenke. Es kann natürlich sein, dass Dinge schlicht ungünstig laufen, weil man Pech hat. So, wie Fußballspieler manchmal den Pfosten treffen anstatt das Tor. Aber man lernt zu unterscheiden. Pech ist nicht gleich Pech: Es ist verdammt schwer, absichtlich den Pfosten zu treffen.
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