"Die Bombe is' eh im Koffer"
Flugbesteck mitnähmen. Und jedes Mal, wenn Mutti oder Vati oder die Kinder daheim das Besteck abtrocknen, lesen sie: British Airways. Oder Air France. Also sollten wir den Passagieren die Messer doch bitte schön lassen. Die Frage war: Was tun?
Die Vorschriften sagten: Messer abnehmen. Die Airlines sagten: Messer durchlassen.
Die Airlines bezahlen den Flughafen.
Der Flughafen bezahlt die FraSec, unsere Firma.
Also fand sich tatsächlich eine Lösung.
Die Passagiere durften die Messer weiterhin mitnehmen.
Weil die Messer nämlich wie durch ein Wunder plötzlich keine Messer mehr waren.
Sie hießen jetzt » Butterstreicher«.
Man kann es auch so ausdrücken:
Die Sorgen, die sich der Frankfurter Flughafen um die Sicherheit der Passagiere macht, sind bei weitem nicht so groß wie die Werbeinteressen der Fluglinien.
Klartext
Eigentlich hatte Jerry ja studiert, aber nicht zu Ende. Ich weiß auch nicht genau, warum er das Studium abgebrochen hat, manchmal denke ich, das hat sogar ganz gut zu ihm gepasst. Denn für seine Zwecke hat er eigentlich lange genug studiert. Er wollte vermutlich sehen, was die an der Uni so machen und ob er das auch kann. Dann ist er hingegangen, hat festgestellt, dass man kein Genie sein muss, um Arzt zu werden, und dass die da auch nur mit Wasser kochen. Und ab da fing die Sache vermutlich an, anstrengend zu werden, somit auch weniger unterhaltsam. Aber seinen Spaß hat er immer gewollt. Also hat er sein Studium hingeschmissen. Weil er aber Geld brauchte, hat er sich mal umgesehen, was es da sonst noch so gibt an bezahltem Entertainment– und dann kam Jerry Weber zu uns.
Was Besseres ist mir nie passiert– mit keinem Kollegen hatte ich mehr zu lachen.
Nun kann man sich ja nicht aussuchen, mit wem man arbeitet, das soll immer dem Zufall überlassen bleiben, damit die Sicherheit nicht durch irgendwelche Absprachen unterlaufen werden kann. Die Praxis sieht aber anders aus: Wenn man jemanden in der Steuerung kennt, kann der ein waches Auge darauf haben, dass man nicht in einem Team mit lauter Nervensägen arbeitet. Es gibt ganze Mannschaften, die ich praktisch nur im Viererteam kennengelernt habe und zu denen ich immer mal wieder als fünfter Mann eingeteilt wurde– das war natürlich kein Zufall, dass die immer zusammen waren. Und auch ich habe mit der Zeit ein paar Kontakte gekriegt, so dass ich damit rechnen konnte, den Herrn Weber öfter mal im Team zu haben.
Man konnte von Anfang an erkennen, dass er’s draufhatte. Innerhalb von wenigen Tagen wusste er genau, worauf es ankommt. Das ist ja in jedem Job wichtig, und trotzdem finden sich leider in jeder Firma genug Kollegen, die das auch nach Jahren noch nicht merken. Jerry Weber hat nur zwei Wochen gebraucht. Und ab diesem Zeitpunkt hat er den Job so ausgestaltet, wie er es für richtig hielt. Die FraSec konnte von ihm für das mäßige Gehalt eine erstklassige Luftsicherheitskontrolle kriegen, aber er wollte sich dabei amüsieren. Und das war eine einmalige Verbindung: Denn man kennt ja viele Firmenkasper, die hin und wieder ganz komisch sind, aber wenn man einen Job richtig erledigt haben will, dann gibt man ihn lieber dem langweiligen Herrn Huber. Das war nun das Erfreuliche am Jerry Weber– der konnte ackern wie ein Tier, gründlich und gleichzeitig relaxt. Der Unterschied zwischen mir und ihm war: Er sagte alle die Dinge, die ich mir nur dachte. Und vielleicht wäre ich bei ihm nicht unbedingt gerne Passagier gewesen. Aber Luftassikollege von Jerry Weber– jederzeit! Jede Schicht! Jeder Checkpoint! Allein schon wegen der Geschichte mit dem wichtigen Menschen.
Einer der unschätzbaren Vorteile unserer Gegenwart ist, dass man endlich die wichtigen Menschen dieser Welt erkennen kann. Das ist einem früher ja oft passiert, dass die völlig unerkannt an einem vorbeigelaufen sind. Vielleicht hat einen abends noch die eigene Frau gefragt: » Na, Schatz, heute irgendwelche wichtigen Leute getroffen?« Und dann konnte man nur sagen: » Hm. Weiß nicht.« Heute ist das Gott sei Dank nicht mehr so. Wichtige Menschen erkennt man sofort, und zwar an zwei Details.
Die einen wichtigen Menschen erkennt man an ihrem Handy. Also, nicht daran, dass sie eines haben, bitte, ein Handy hat heute ja praktisch jeder! Nein, die Frage ist, wo der wichtige Mensch das Handy benutzt. Daheim oder an der Haltestelle oder auf der Straße telefoniert jeder Durchschnittsbürger. Der wichtige Mensch hingegen muss so viele wichtige Dinge mitteilen, dass er
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