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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Lucchesi
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Füße mit rot lackierten Fußnägeln in silbernen High Heels, eine Haut wie direkt aus einem Werbespot. Die zum Mittelscheitel gekämmten glatten hellblonden Haare reichten bis zum hellbraunen Ledergürtel ihrer ultraengen, verwaschenen Bluejeans, sie trug ein cremefarbenes flauschiges Kaschmirtop, nabelfrei. Und dazu kombinierte sie ein derbes rot-schwarzes Holzfällerhemd aus Baumwolle, vielleicht eine Erinnerung an ihre kanadische Heimat. Das Erstaunlichste war allerdings, dass sie in der Torsonde keinen Alarm auslöste. Nicht, weil’s so schön ins Klischee gepasst hätte, sondern weil sie eine goldene Gürtelschnalle in Form eines amerikanischen Seeadlers trug, die mindestens ein Pfund wiegen musste. Keine Torsonde, das konnte nur eines bedeuten: Das Ding war echt. Ich hätte ein ganz kleines Vermögen dafür gegeben, am Nachschautisch stehen zu dürfen. Aber ich war nur Sonder, Jerry Weber war am Tisch, er war derjenige, der ein bisschen Blickkontakt mit dem Engel aufnehmen durfte. Damals war Jerry noch neu.
    Rolf, der am Monitor saß, wurde prompt fündig. Das Bild zeigte etwas Längliches, Metallisches mit Batterien in der Tasche. Also schob Rolf den Koffer mit todernstem Blick zu Jerry.
    » Es sieht zwar gefährlich aus, ist aber vermutlich nicht explosiv, keine Ahnung, was das sein könnte«, meinte er. » Lass die Dame den Koffer öffnen, den Gegenstand herausholen und dir erklären, was es ist und wozu man es braucht.«
    Jerry zögerte.
    » Also Weber, was is nun?«, drängelte ich.
    » Koffer auf und nachsehen, zack, zack«, sagte Rolf, » da draußen stehen über tausend Leute, die heute auch noch fliegen wollen.«
    Also schritt Jerry zur Tat.
    » Okay, Ma’am«, sagte er streng, » what we are looking for is about twenty centimetres long, metallic and there are batteries inside.«
    Und das war der Moment, in dem ich mich endgültig ein bisschen in das blonde Wunder verliebte. Sie war nur einen ganz kurzen Moment verunsichert. Dann zeigte sie ein strahlendes Lächeln und begann in ihrem Koffer herumzuwühlen.
    » Oh yes, I know, what you mean. I’m a single woman and this is my little electronic friend.«
    Und mit diesen Worten holte sie gelassen einen silber glänzenden Vibrator aus dem Koffer, und fügte hinzu: » His name is Bartholomew.«
    Ich weiß nicht, ob der Vibrator wirklich so hieß oder ob sie improvisierte, aber als sie ihren Vibrator mit Namen vorstellte, hatte sie gewonnen. Im Umkreis von zehn Metern lachte jeder vom Passagier bis zur Putzfrau. Und mindestens im selben Maß wie das Gelächter wuchs die Anerkennung für die blonde Zauberfrau, die auch danach alles richtig machte. Sie glotzte nämlich nicht mit stolzgeschwellter Brust in die Runde, als hätte sie den Superbrüller gelandet, sondern blieb ganz sachlich und guckte mit Jerry ins Batteriefach, als sähe sie es zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie servierte den Gag so wundervoll trocken, dass ich ihr dringend gratulieren wollte oder sie umarmen oder vor ihr niederknien oder alles abwechselnd.
    Jerry kontrollierte den Hohlraum.
    Dann die Batterien. Es waren ganz normale Batterien.
    Dann füllte er sie wieder ein, schraubte zu und schaltete den Vibrator an.
    » Brrrrrr«, machte der Vibrator.
    Jerry schaltete den Vibrator aus und gab ihn der Dame zurück:
    » Okay, Ma’am, all things are fine.«
    Die hübsche Kanadierin packte ihre Sachen zusammen, bedankte sich mit einem bezaubernden Lächeln für die freundliche Kontrolle und entschwand auf ihren silbernen High Heels mit ihrem » little electronic friend«.
    Ich drehte mich um und sondete wieder weiter. Der Nächste war ein kleiner älterer Herr mit blau-grün kariertem Trenchcoat und gelber Anglermütze. Ich seufzte, sondete ihn vorne, hinten, Hand folgt Sonde, na, ich war wieder zurück in der Realität. Und winkte den nächsten Passagier heran, als ich hinter mir ein Räuspern hörte.
    Ich drehte mich um. Vielleicht hatte ich ja was vergessen. Aber das Räuspern galt nicht mir. Es kam unter der gelben Anglermütze hervor, aus dem älteren Herrn, der am Nachschautisch auf die Kontrolle seines Trolleys wartete. Aber die Kontrolle kam nicht.
    Der angeräusperte Jerry Weber auf der anderen Seite des Tisches sah nicht besonders intelligent aus, wie er so mit offenem Mund dastand und mit glasigem Blick in die Richtung starrte, in der sechzig Sekunden zuvor der kanadische Traum entschwunden war.

Probepackung
    Er war ein kleiner Inder. Das muss man schon dazusagen, manche denken

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