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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Lucchesi
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passiert. Dass wer landet. Oder wegfliegt. Oder wenigstens sein Flugzeug putzt. Ein Bundespolizist stand noch herum und half uns beim Warten. Und Günter war auch noch dabei, Günter von der Fraport. Ein Helferlein für kleinere Serviceleistungen. Dann, so am späten Nachmittag, klingelte das Telefon. Günter hob ab. Kurz darauf hastete er nach draußen.
    » Der X.«, sagte er im Vorbeigehen.
    Und was dann passierte, kommt mir im Nachhinein fast surreal vor, aber so hab ich’s nach knapp drei Jahren immer noch in Erinnerung.
    Ein paar Minuten später konnte man X. durch die Glastür von außen anmarschieren sehen. Im strammen Schritt, reichlich zackig für einen Mann im fortgeschrittenen Rentenalter. Er trug einen Lodenmantel, braune Schuhe, so ein seltsames bayerisches Hütchen, eine Hose, die ihm nur bis zu den Waden ging– der ganze Mann lief herum, als käme er frisch von der Gamsjagd. Der im damaligen Übernahmepoker Unterlegene hätte vielleicht Günter irgendwas erzählt, wie schön es doch in den Bergen sei und diese Gämsen, nein, das sei aber herrlich, und ob Günter vielleicht auch schon mal in den Bergen gewesen sei. Nicht? Das sei aber schade. Aber zwischen X. und Günter wurden überhaupt keine Worte gewechselt. Günter eilte hinter X. her und trug ihm die Aktentasche. Und der Loden-Manager marschierte derart todernst im Stechschritt, dass man unwillkürlich dachte, der Führer ist grade auf dem Obersalzberg angekommen und muss noch ganz eilig seine Pluderhosenuniform anziehen, bevor Mussolini eintrifft. Dadurch sah Günter dahinter aus, als würde er vom Sog einfach mitgerissen.
    Kurz vor dem Gebäude legte Günter einen kleinen Sprint ein, um X. zu überholen und ihm noch rechtzeitig die Tür aufhalten zu können. Die Tür ging auf, der Lodenmantel wehte herein, und ich könnte schwören, dass in diesem Augenblick sämtliche Topfpflanzen im Raum schlagartig ihre Blätter abwarfen. Ich guckte zu Judith, und sah, wie sie sich die Unterarme rieb. Der Einzige im Raum, der nicht fror, war X. selbst. Er sah nicht auf, er blickte sich nicht um. Was hätte es auch schon zu sehen gegeben? Sessel, Tische, blattlose Pflanzen, Zeitschriften für den Pöbel, frierende Untertanen. Er sagte auch nicht » Guten Tag«. Zeit war Geld.
    X. drehte sich knapp um. Dann sagte er:
    » Günter! Aktentasche, bitte!«
    Obwohl, man sollte das Komma wohl streichen: Er sagte es mehr so in einem Rutsch, wie das Leute machen, die eigentlich dazu neigen würden, das » bitte« wegzulassen, es dann aber in Gottes Namen eben doch anhängen, weil sie sonst der Imageberater wieder zwei Wochen lang nervt.
    » Günter! Aktentaschebitte!«
    Daraufhin machte Günter eine innovative Form aus Knicks, Kratzfuß und alter Kriegsverletzung, die ich noch nie bei ihm gesehen hatte. Bewundert habe ich sie aber schon, weil er sie so gänzlich ironiefrei vorführte und dabei noch gekonnt dem Herrn X. die Aktentasche hinlüpfte. Andererseits: Vielleicht dachte Günter ja auch wirklich, dass X. so eine Verbeugung zustand. X. nahm jedenfalls die Aktentasche gleichmütig entgegen und mit einem Gesichtsausdruck, mit dem andere Leute ihre Streifenkarte abstempeln, legte er 20 Euro in die Aktentaschenhand. Dann wehte er hinaus. Ich bewunderte Günter noch mehr, und die Topfpflanzen zogen ihre Blätter wieder an.
    Aber daran erkennt man die bedeutenden Leute. Sie verzichten auf Verben.
    » Günter! Aktentaschebitte!«
    Und das ist kein Zufall, das ist mir nochmal aufgefallen, beim Altkanzler Helmut Kohl.
    Ich hatte mit Svetlana Dienst in VIP , was so ziemlich die gemütlichste Form des Einsatzes sein kann, wenn man Zeitungsleser ist. VIP ist nicht nur schön gediegen eingerichtet, mit Teakholz und Ledersesseln und allem, was nach Geld aussieht, sondern verfügt auch über eine exzellente Auswahl an Zeitschriften. Klatsch und Wirtschaft und Sport und alles, und natürlich die ausländischen Zeitungen. Wenn man wissen will, was grade so in Hongkong los ist oder in New York oder Paris, VIP hat alles. Und die nötige Zeit dazu obendrein. Dann klingelte das Telefon. Die Delegation Helmut Kohl, mit Freistellung.
    Das ist eine Spezialität von Politikern und hochrangigen Persönlichkeiten: Sie kriegen Freistellungen, das heißt, man muss weder den Politiker noch seine Gäste kontrollieren. Das ist mit der Polizei abgesprochen, die ja letzten Endes unser Auftraggeber ist. Die rufen nur an und sagen: Helmut Kohl und drei Personen. Und das heißt dann, dass Helmut

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