Die Botin des Koenigs reiter2
gefunden. Mara starrte die zahlreichen Fußspuren im dichten Staub an. Eine Spur – die der Stiefel, die aussahen wie ihre eigenen – endete abrupt am Rand des Lichtkreises. Wie hatte Karigan einfach verschwinden können?
Dann traf es sie wie ein Schlag auf den Kopf. Wie Karigan verschwinden konnte? Natürlich ganz einfach!
»Fastion«, sagte Mara, »lasst uns die Fensterläden öffnen. «
Er blinzelte, als hätte er vergessen, dass sie da war. Mara schnaubte verärgert und ging durchs Zimmer. Sie riss an dem verrotteten Holz, und es zerfiel. Fastion beeilte sich, auch die oberen Teile abzureißen. Am Ende half das allerdings nichts, denn das Fenster war zugemauert.
Fastion blieb in einer zutiefst nachdenklichen Haltung stehen. »Sie müssen angebaut haben, auf der anderen Seite des
Fensters. Ich versuche mich zu erinnern, was auf der anderen Seite sein könnte …«
»Das ist ja alles recht interessant«, sagte Mara, »aber wir sind hier, um Karigan zu finden. Lasst uns jede Ecke dieses Raums durchsuchen.«
Verständnis und ein gewisses Maß an Unbehagen zeichneten sich auf Fastions Miene ab. »Ihr meint, sie könnte …«
»Verblasst sein? Mag sein. Wenn wir sie nicht hier finden, werden wir unseren Weg zurückverfolgen und in jede Nische und in jeden Schatten schauen.«
Und wenn ihre Lampe nicht genügend Licht lieferte, bedeutete das, dass sie eine andere Lichtquelle brauchten. Genügend Licht würde Karigan sichtbar machen, selbst wenn sie verblasst war. Es wäre, dachte Mara, als suche man einen Geist.
»Würde sie es uns nicht wissen lassen, wenn sie hier wäre? «, fragte Fastion.
»Wer weiß?«
Seltsame Dinge geschahen mit und rings um Karigan. Seit Mara bei den Grünen Reitern war, hatte sie durchaus schon gefährliche Situationen erlebt – ihre abgehackten Finger bewiesen das. Aber sie hatte noch nie mit Geistern oder Wilden Ritten zu tun gehabt wie Karigan, und das war nur gut. Mara musste sich stattdessen um all die Verwaltungsdinge kümmern, die einmal Ereals und Connlis Aufgaben gewesen waren, und sie war ausgesprochen froh über solch nüchterne Arbeit. Sollten doch andere mit Geistern reiten! Sie würde dafür sorgen, dass sie es zumindest gut verpflegt und ausgerüstet taten.
Mara und Fastion gingen langsam durch den Raum, und ihre Lampe tauchte die nähere Umgebung in helles Licht. Und tatsächlich, in der tiefsten, dunkelsten Ecke wäre Mara
beinahe auf Karigan getreten. Sie stieß einen überraschten Schrei aus.
Karigan saß auf dem Boden, die Knie an die Brust gezogen, so transparent, dass Mara durch sie hindurch die Struktur der Mauer hinter ihr sehen konnte. Als suche man nach einem Geist, hatte sie gedacht, und wie recht sie damit gehabt hatte!
»Karigan?« Mara konnte das Beben in ihrer Stimme nicht unterdrücken. Fastion erstarrte neben ihr.
Karigan regte sich, blickte auf, und sie schien wie betäubt zu sein. »Licht?«
Ihre Stimme kam wie aus sehr weiter Ferne.
»Karigan …«, begann Mara.
»Ich habe mich verirrt … kannst du mich hören? Kannst du mich sehen?«
Selbst über die Entfernung war die Verzweiflung in ihrer Stimme deutlich wahrzunehmen.
Mara streckte die Hand aus, um Karigan an der Schulter zu packen, aber ihre Hand ging direkt durch sie hindurch in einen sehr kalten Raum. Mara keuchte und wich zurück. So funktionierte Karigans Fähigkeit doch sonst nicht!
»Karigan«, sagte Mara. »Ich kann dich hören und sehen. Komm zu uns zurück – lass das Unsichtbarsein. Sofort. «
Endlich flackerte in ihrem Blick so etwas wie Erkennen auf. »Jetzt? Ist dies die richtige Zeit? Ich bin so weit weg gewesen …«
Mara fragte sich, was für ein Unsinn das sein sollte. »Ja«, sagte sie entschlossen. »Es ist die richtige Zeit. Hör auf damit. «
Karigan seufzte, und das klang nach Maras Ansicht beruhigend wenig nach dem Seufzen eines Geistes. Dann fuhr Karigan mit der Hand über ihre Brosche. Es war eine sehr müde Geste.
Ihre geisterhafte Gestalt wurde fester, und sofort ließ sie den Kopf in die Hände sinken und stöhnte.
Mara und Fastion wechselten einen beunruhigten Blick. »Was ist denn?«, fragte Mara.
»Mein Kopf – er tut weh. Die Brosche.« Ihre Worte kamen nur gedämpft hinter ihrer Hand hervor.
»Wenn sie ihre Magie nutzt, hat sie hinterher schreckliche Kopfschmerzen«, erklärte Mara Fastion.
Karigan blickte zu ihnen auf. Die Lampe warf halbmondförmige Schatten unter ihre Augen. Ihre Haut war knochenbleich. »Es hat noch nie so
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