Die Botin des Koenigs reiter2
Tieren zu kommunizieren – nicht unbedingt mit ihnen direkt zu sprechen, aber die Strömungen von Gefühlen und Stimmungen zu begreifen und zu deuten.
Dann ging Luchs, und Zacharias sagte: »Erst ein steinerner Hirsch und nun erschrockene Tiere.« Er schüttelte den Kopf, »Ich fürchte, das wird warten müssen. Das Problem mit den Flüchtlingen ist dringender.« Er rief einen Läufer vom Grünen Fuß zu sich. »Such General Harborough und sag ihm, er soll sofort zu mir kommen.«
»Was werdet Ihr tun?«, fragte Colin.
»Was getan werden muss.« Dann fuhr er sofort zu Laren herum. »Hauptmann, könntet Ihr mir vielleicht erklären, wieso Ihr der Ansicht wart, man könne D’Ivary trauen?«
Sie fasste an ihre Brosche. Falsch, sagte ihre Fähigkeit ihr. Warum tat sie das?
»Ich …«
Wahr.
»Habt Ihr an jenem Tag von Eurer Fähigkeit Gebrauch gemacht oder nicht?«
»Selbstverständlich. Ich wusste, wie wichtig die Wahrheit war.«
Falsch.
Larens Finger zitterten an der Narbe an ihrem Hals. »Ich weiß nicht, was passiert ist.«
»Nun, ich weiß es.« König Zacharias wandte sich ab und fing wieder an, auf und ab zu gehen. Dann blieb er stehen und fuhr abermals zu ihr herum. »Lord D’Ivary hat uns an diesem Tag belogen. Er hat Söldner dafür bezahlt, die Flüchtlinge zu schikanieren, aber er hat sie als sacoridische Truppen ausgegeben. Damit hat er diesen Grenzleuten nicht nur einen weiteren Grund gegeben, mich zu hassen, sondern sie wurden auch noch geschlagen und vergewaltigt. Ein neun Jahre altes Mädchen, Hauptmann. Eine Neunjährige, von Lord Nester geraubt. Wie konntet Ihr behaupten, dass D’Ivary ehrlich war?«
Laren wich zurück, gekränkt und erstaunt, und rang um Beherrschung, denn sie konnte es ja selbst nicht erklären. Was ihre Fähigkeit über D’Ivary gesagt hatte, war vollkommen klar gewesen.
Wahr.
Sie errichtete Mauern um die innere Stimme ihrer Fähigkeit, aber sie konnte sie nicht beherrschen, und sie glitt ihr aus den Händen wie ein schlüpfriger Fisch.
Zacharias wandte sich von ihr ab, um mit Sperren und Colin Dovekey zu sprechen, sein Rücken war steif, als versuche er, seinen inneren Zorn zu beherrschen.
Laren schloss die Augen. Sie würde nie vergessen, wie er sie angesehen hatte, und seine Worte ebenso wenig: Eine Neunjährige, Hauptmann. Wie konntet Ihr behaupten, dass D’Ivary ehrlich war?
Es war ihre Schuld, die Vergewaltigungen, die Schläge, die Tode. All das lastete auf ihren Schultern.
Wahr.
INNERE STIMMEN
Alton sah sich das leere Feld an, das einmal ein blühendes, lebhaftes Lager gewesen war. Es gab keine bunt gestreiften Zelte mehr und keine Spielleute, die ihre Lauten zupften, keine Kaufleute, die die Qualitäten ihrer Waren anpriesen. Es gab auch keine feinen Damen mehr, die unter Pavillons saßen und Klatsch austauschten, während Diener mit Erfrischungen herbeieilten.
Das Feld lag brach. Nur der Müll, der noch am Boden lag, und die niedergetrampelten Pfade wiesen darauf hin, dass es hier einmal solche Aktivitäten gegeben hatte.
Hinter dem Feld waren die präzisen Reihen von Militärzelten geblieben, und unter ihnen stand nun auch das von Landrew D’Yer. Er hatte seine Operationsbasis so weit vom Wall entfernt wie möglich eingerichtet.
Nach dem Angriff der Flugechse auf Lady Valia hatten alle Adligen und die einfachen Leute schnell gepackt und waren aufgebrochen – einige noch am gleichen Tag. Sehr zu Altons Erleichterung hatte man auch seinen kleinen Bruder und seinen Vetter sofort heimgeschickt.
Der Angriff der Flugechse war eine rasche und brutale Mahnung daran gewesen, wieso es gefährlich war, den D’Yer-Wall und den Schwarzschleierwald nicht ernst zu nehmen. Das hier war kein Ort für eine Sommerfrische. Es würde lange dauern, bis jene, die Zeugen des Angriffs geworden
waren, vergessen konnten, wie dieses riesige geflügelte Ungeheuer die Krallen in Valias Rücken geschlagen hatte. Es würde noch länger dauern, bis sie ihre Schreie vergessen hätten, die im Lauf der Nacht leiser geworden waren, bis sie schließlich vollkommen verstummten.
Valias Eltern hatten eine lebhafte junge Frau für einen Sommerurlaub zum Wall mitgebracht und eine Leiche wieder mit nach Hause genommen.
Alton seufzte und schob die Hände in die Taschen. Er ließ sich die Sonne auf die Schultern brennen, als könnte das gegen die Finsternis in seinen Gedanken helfen. Aber Valias Schreie hallten unaufhörlich in ihm nach. Sie waren in seine Seele
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