Die Botin des Koenigs reiter2
brummte, als hätte er das erwartet.
Am Wall legte Alton die Hände wieder gegen die Steine, wie er es immer tat. Diesmal jedoch ließ er sich Zeit, den Stein zu fühlen – wirklich zu fühlen; die einzelnen Körner, die die raue Fassade des Walls bildeten. Er stellte sich den kristallinen Quarz vor, den Feldspat, der dem Fels seine Rosafärbung
gab, und die schwarzen Flecken der Hornblende. Und als er das tat, konnte er die Stimmen im Wall wieder hören, Spuren von harmonischem Gesang – und von Missklang.
Unter seinen Händen glitzerte silbrige Schrift, schimmerte einen hellen Augenblick, verblasste dann wieder, und das Lied verklang.
Alton versuchte, sich daran zu klammern, aber es half nichts. Seine Verbindung mit dem Wall war verschwunden und wollte nicht wiederkommen.
»Verflucht sollst du sein!« Er trat gegen den Wall, was nur seinen Zehen schadete.
»Ist etwas passiert, Mylord?«, fragte der Sergeant ein paar Schritte hinter ihm.
Alton starrte ihn an. »Wollt Ihr behaupten, dass Ihr es diesmal auch nicht gesehen habt?«
»Was gesehen, Mylord? Dass Ihr gegen den Wall getreten habt? Ja, das habe ich gesehen.«
»Vergesst es«, knurrte Alton und ging davon.
Pendric stampfte durch den Wald, schob Zweige aus dem Weg. Ihm war gleich, dass sein Gesicht blutverschmiert war und sein Auge langsam zuschwoll. Nein, diese Dinge interessierten ihn kein bisschen.
Weit vom Lager und dem Wall entfernt fand er schließlich einen Felsen, auf den er sich setzen konnte. Ein Sonnenstrahl fiel durch die Wipfel und wärmte ihn. Alton hatte wieder einmal gewonnen, wie immer. Er hatte die Anerkennung von Pendrics eigenem Vater gewonnen. Landrew war blind – er musste blind sein! Vielleicht hatte Alton einen Zauber gewirkt und seinen Onkel in Bann geschlagen, hatte ihn infiziert.
Genauso, wie er mich infiziert hat.
Pendric schauderte. Seit Alton eingetroffen war, wirbelten Stimmen durch seinen Kopf wie eine Masse silbriger Aale. Es waren so viele, und sie glitten mühelos durch seine Gedanken; er konnte ihre Worte nicht verstehen, aber sie wurden intensiver, wann immer er sich der Bresche im Wall näherte.
Unentrinnbar zogen sie an ihm, schlangen Tentakel um seine Seele. Er leistete Widerstand. Er würde sich dieser Magie nicht ergeben.
Pendric wimmerte erschöpft und stützte den Kopf in die Hände. Er wollte einfach nur nach Hause gehen, diesen schrecklichen Ort verlassen, aber sein Vater ließ ihn nicht gehen. Landrew bestand darauf, dass sein Sohn seine Pflicht gegenüber dem Clan erfüllte.
Dabei wusste Pendric nicht, wie viel mehr er noch ertragen konnte, wie lange es noch dauern würde, bis ihn Altons finstere Magie überwältigte.
Tief im Herzen des dunklen, dichten Waldes schlief das Bewusstsein. Die Hüter des Walls hielten weiterhin Wache, umwoben es mit Liedern von Ruhe und Frieden. Der Missklang untergrub die Harmonie, aber die Hüter hatten immer hoch genug Macht, um das Bewusstsein in tiefen Schlaf zu versenken.
Die Hüter hatten jedoch keine Macht über seine Träume.
Träume von einem Land namens Arcosia, einem Land, das aus vielen Ländern bestand. Es war viele Meere entfernt. Ein Land von hoch aufragenden Gebäuden und faszinierender Kultur. Ein Land, dessen unterschiedliche Völker zu einem zusammengewachsen waren. Ein Land mächtiger Magie.
Aber im Lauf des Traums verblassten die Schönheit, die Menschen und besonders die Magie zu einer grauen, trostlosen
Landschaft, in der es nur einstürzende Türme und vereinzelte Säulen im windgepeitschten Gras gab, Spuren einer einstmals großen Zivilisation, die nun ausgestorben war.
Das Bewusstsein, immer noch versunken in seinem Traum, schrie gequält auf. Der Wald bebte. Bäume stürzten um, Tiere schrien erschrocken auf, und Regen strömte aus den Wolken, die über dem Schwarzschleierwald hingen.
Die Hüter des Walls zitterten vor Angst.
TAGEBUCH DES HADRIAX EL FEX
Die Clans erweisen sich als widerspenstiger und störrischer, als wir angenommen hatten. Sie legen Hinterhalte für unsere Patrouillen und haben bei mehreren Scharmützeln gesiegt. Ihre Kenntnis des Landes hilft ihnen, und sie können in diesen Wäldern einfach spurlos verschwinden. Alessandros hat mit heftigeren Vergeltungsmaßnahmen reagiert, ist in Dörfer einmarschiert, hat ein paar Leute als Geiseln ausgewählt, ihre Häuser zerstört und den größten Teil der Bewohner getötet, und all das nur mit Hilfe seiner Macht. Die Ethera ist stark in diesem
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