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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Nach links oder nach rechts? Im Bruchteil eines Augenblicks entschied sie sich für rechts, denn dort lag die Stadtmitte. Dort würde sie auf ein dichtes Netz aus Gassen und Kanälen stoßen, dort würde sie sich verbergen können. Sie bog um die Häuserfront und rannte in einen Menschen hinein, der eben den umgekehrten Weg ging. Sie prallte mit dem Kopf gegen ihn, verlor kurz das Gleichgewicht, doch da hatte sie der Mann bereits gepackt und verhinderte ihren Sturz. Isabella stotterte einen Dank. Wortreich und doch atemlos wollte sie sich bedanken, wollte an ihm vorüber, doch der Kerl ließ nicht mehr los. Er hielt sie fest, und mit jeder Bewegung, mit der sie sich von ihm lösen wollte, fasste er fester zu. Es dauerte, bis sie begriff, wen sie angerempelt hatte: Der Mann war groß gewachsen, mit Händen wie Schaufeln und dunkelhäutig, fast schwarz.
    »Hammar?«, fragte Isabella ungläubig, und dann gab sie ihren Widerstand auf, denn der schwarze Riese klemmte sie sich einfach unter den Arm und trug sie zurück zum Kloster. Isabella konnte nicht einmal schreien oder strampeln. Ihre Lungen brannten, und sie musste mit ihrem schnellen Atem kämpfen, denn Hammar drückte gegen ihren Brustkorb und nahm ihr damit die Luft.
    Der Pater stand schweigend hinter Signora Artella, während die Nonne die Übergabe überwachte und Hammar mit Blicken warnte, seine Beute nicht vorzeitig freizugeben. Isabella jedoch war die Lust davonzulaufen gründlich vergangen. Froh war sie, endlich zu Boden gelassen zu werden und durchatmen zu können. Der Mohr stellte sie im Eingangsbereich des Klosters ab, wartete, bis die Tür hinter ihm zufiel, und ließ erst dann los.
    »Ihr hättet nicht davonlaufen dürfen, Isabella«, begrüßte die Priorin sie, und Isabella spürte den hämischen Unterton wie ein Brennen auf der Haut. »Hammar, du wartest hier!«, wies sie den Schwarzen an, während sie Isabella an der Schulter packteund vorwärtsschob. Durch die zweite Pforte hindurch stolperte Isabella vor Signora Artella her ins Kloster hinein.
    Isabella kam das alles so richtig und doch so falsch vor, dass sie zuerst glaubte, sie würde träumen. Doch der gedämpft immer noch nachhallende Glockenklang, der die Menschen zum Feuer bei San Polo rief, sagte ihr, dass es keine nächtliche Vision war, sondern Realität.
    »Warum habt Ihr mich nicht laufen lassen?«, fragte sie endlich resigniert. »Was wollt Ihr von mir?«
    Signora Artella schwieg, bis sie vor dem Amtszimmer der Äbtissin standen. Sie schloss auf und stieß Isabella hinein. Beinahe wäre sie über den am Boden liegenden Teppich gestolpert und der Länge nach hingefallen. Eine niedrige Truhe, die vor dem riesigen Schreibtisch stand, verhinderte das Missgeschick.
    Padre Antonio war ihnen gefolgt und betrat hinter Signora Artella als Letzter den Raum. Isabella sah sich um. Nichts hatte sich verändert. Das Schreibpult, der dunkle, beinahe schwarze Schrank, die Truhe, die mit rissigem Leder bezogenen Stühle. Auch die Holzpaneele waren alle an Ort und Stelle. Ob Signora Artella wusste, was sich hinter der Vertäfelung verbarg? Ob sie den Gang zur Zisterne hinab kannte?
    Die Priorin schloss hinter ihnen ab, dann wandte sie sich sowohl Isabella als auch dem Pater zu.
    »Am liebsten würde ich euch beide, dich, Isabella, und diesen Pater, in die Zisterne sperren und dort verfaulen lassen.« Energisch hob sie die Hand, da der Pater etwas erwidern wollte, verbat sich damit jedoch jeglichen Zwischenruf. »Seit Isabella und Ihr, Pater, das Manuskript sucht, sterben die Mitglieder der Custodes Dominae wie die Fliegen. Als hättet Ihr die schlechten Miasmen hinter diese Mauern getragen. Bald wird niemand mehr übrig sein, um das verborgene Manuskript zu beschützen. Bald wird es auch niemanden mehr geben, der von diesem Schriftstück weiß – und ich bin mir nicht sicher, ob es genau das Ziel ist, das mit dieser Auslöschung verfolgt wird:Suor Francesca, Suor Maria, Suor Ablata und jetzt Suor Immacolata ... «
    »Woher wisst Ihr, dass ...«, versuchte Isabella dazwischenzufragen, doch eine erneute energische Handbewegung ließ sie verstummen.
    »Es gibt Zeiten zu fragen und Zeiten zuzuhören. Jetzt ist die Zeit des Zuhörens. Selbst Julia Contarini sollte in den Orden der Custodes Dominae aufgenommen werden. Krank war sie, todkrank, doch intelligent. Etwas ...«, sie unterbrach sich und seufzte, »... was dem Fortleben des Ordens gutgetan hätte. Jetzt ist sie ebenfalls tot. Wir Custodes Dominae

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