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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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an so etwas Vergnügen finden konnten. Das Stück handelte offenbar von der Höllenfahrt eines Sünders, der von seinem persönlichen Teufel in die Unterwelt geleitet wurde und dort an den unglaublichsten Ausschweifungen vorüberkam, die ihm von seinem Begleiter in grellen Farben beschrieben wurden. Isabella hatte schnell begriffen, dass es nicht um die Höllenfahrt ging, auch nicht um die Läuterung des unglücklichen Menschen, sondern schlicht um die Darstellung all der erotischen Praktiken der Hölle. Ihr gefiel weder das Stück noch das geile Gekicher ihrer Mitschwestern.
    Ganz in der Ecke stand noch ein freier Stuhl, auf den sie sich setzte. Dort wartete sie und überlegte gleichzeitig, soweit der Lärm der Darbietung ihr Raum zum Denken ließ, was sie Marcello sagen wollte. Hoffentlich hatte er mit ihrem Vater gesprochen und brachte ihr die erlösende Botschaft, dass sie endlich wieder diese Mauern verlassen durfte. Sie lehnte ihren Kopf gegen das Gitter, dachte an ihr Gefangenendasein und an ihre Sehnsucht nach dem Leben draußen. Diese Sehnsucht wurde, wie sie zugeben musste, sogar von dem Treiben auf der kleinen Puppenbühne gekitzelt. Eine der kurzen Haarsträhnen, die ihr geblieben war und widerspenstig aus ihrer Haube hervorsah, hatte sich offenbar im Gittergeflecht an den rostigen Stangen verfangen und war daran hängen geblieben, jedenfalls zerrte und kitzelte es sie fortwährend. Energisch riss sie an den Haaren und befreite die Strähne.
    »Warum entziehst du mir dein Haar, wenn ich deine Wangen schon nicht streicheln darf?«
    Isabella hätte beinahe laut aufgeschrien, was bei dem allgemeinen Lärm jedoch nicht weiter aufgefallen wäre. Dennoch fasste sie sich rasch und hielt sich die Hand vor den Mund.
    »Marcello! Dem Herrn sei’s gedankt, dass du auftauchst. Ich habe ungeheuerliche Neuigkeiten«, sprudelte es aus ihr heraus. Sie streckte ihre Finger durch das Gitter. Selbst im düsteren Licht des Besucherraums wirkte Marcellos Gesicht blass und müde.
    »Ich habe ebenfalls Neuigkeiten«, sagte er. Doch der Ton in seiner Stimme verriet deren niederdrückenden Inhalt. »Dein Vater denkt nicht daran, dich aus dem Kloster herauszuholen. Im Gegenteil. Er scheint froh darüber zu sein, dass du hinter diesen Konventmauern verrottest.«
    Isabella fühlte sich, als habe sie einen Schlag in den Magen bekommen. »Und was sagt er zum Tod seiner Schwester?«
    »Er meinte, sie wäre schließlich nicht mehr die Jüngste gewesen. In diesem Alter schaue uns der Tod schnell einmal über die Schulter. Er bedauere es, doch ändern könne er daran nichts.« Isabella wusste nichts darauf zu sagen. Sie hatte gehofft, zumindest in ihrer Familie Unterstützung zu finden. Sie sollte nur eine begrenzte Zeit in San Lorenzo verbringen. Das war ausgemacht. Zur Unterstützung der Tante. Doch wenn sie Marcello so hörte, dann war es offenbar bei ihrem Vater und dem Bruder beschlossene Sache, sie für immer hinter diesen Mauern einzusperren, und alle Versprechungen waren nur ein Vorwand gewesen, sie hierherzulocken. Der Lärm der Vorführung brandete an ihre Ohren und schien zusammen mit ihrer Resignation lauter zu werden, als diene er dazu, die Welt hin-wegzuschwemmen.
    Beinahe tonlos fragte sie weiter: »Hat er etwas über einen Schlüssel gewusst?«
    »O ja!«, sagte Marcello. »Davon wusste er wohl.«
    Sofort konzentrierte sich Isabella wieder ganz auf Marcello, und Geschrei und Geplärre wurden an den Rand ihres Bewusstseins gedrängt.
    »Was hat er gesagt? Erzähl!«, drängte sie Marcello. Ihre Finger, die bislang ganz trocken waren, wurden plötzlich feucht und klebten an den Gittern. Auch Marcello schien dies zu bemerken.
    »Du bist ja ganz aufgeregt, Isabella!«, spöttelte er.
    »Was wusste er? Jetzt sprich schon!« Sie selbst erschrak ein wenig über ihre offensichtliche Anspannung und Erregung. »Zuerst musst du mir erzählen, was du Neues weißt«, neckte er sie.
    Isabella schloss die Augen. Ihr Bauch schmerzte direkt unter dem Ansatz des Brustbeins, so verkrampfte sie sich, weil sie einerseits wissen wollte, was ihr Vater wusste, andererseits jedoch ihre Neugier nicht allzu öffentlich hinausposaunen durfte.
    »Marcello. Sag mir bitte, was er weiß. Rasch. Meine Nachricht ist so, dass du sie eigentlich nicht hören willst. Beides hängt jedoch miteinander zusammen.« Sie atmete schwer. Sie flehte zu allen Heiligen, Marcello möge ihre Bitte erhören.
    »Also gut. Es ist ohnehin nicht allzu viel. Dein Vater teilte

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