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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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umherspähte, fiel mir wieder ein, dass der Secret Service uns immer noch flussauf, flussab jagte, dass ich keinen Ausweis bei mir trug und dass niemand auch nur die geringste Ahnung hatte, wohin ich gegangen war. Auch wenn ich wusste, dass wir nur ein paar Kilometer von der Hauptstadt entfernt waren, beschlich mich ein komisches Gefühl. Merkwürdig, wie dieser mysteriöse Ort mir in Bezug auf Zeit und Raum von allem abgetrennt schien, was mir vertraut war.
    Und es sollte noch weitaus seltsamer werden.
    »Es hat mit der Ursprünglichen Bestimmung zu tun«, sagte Red Cedar. »Jedes Ding entsteht gemäß seiner Bestimmung - einer Art Blaupause oder einem Satz Baupläne. Wasser wird immer rund, Feuer ist ein Dreieck, die meisten Felsen bestehen aus Kristallen, Spinnen weben Netze, Vögel bauen Nester, das Analemma der Sonnenbewegung ergibt eine Acht …«
    Mit einer Berührung am Arm gab Key ihm zu verstehen, er solle sich ein bisschen beeilen - entweder mit seinen Schritten oder mit seiner Geschichte, oder vielleicht auch mit beidem.
    »Die Geschichte der Jungfrauen beginnt vor ungefähr vierhundert Jahren«, fuhr Red Cedar fort, »als die englischen Kolonisten
hier eintrafen und einen Ort namens Jamestown gründeten, benannt nach ihrem neuen König James. Aber schon vorher, im 16. Jahrhundert, hatten sie sich ein ansehnliches Stück Land unter den Nagel gerissen, das sie Virginia genannt hatten, nach James’ Vorgängerin, der ›jungfräulichen Königin‹ Elizabeth.«
    »Ja, ja, ich kenne die Geschichte.« Ich bemühte mich, nicht zu ungeduldig zu klingen. Worauf wollte er hinaus?
    »Aber Sie kennen nicht die ganze Geschichte«, fuhr Red Cedar unbeirrt fort. »Etwa dreißig Jahre nach jenen Jamestown-Kolonisten hatten die Engländer einen neuen König - wahrscheinlich ein heimlicher Katholik. Dieser König schickte unter Lord Baltimore zwei Schiffe hierher, die Ark und die Dove , auf denen sich katholische Siedler und Jesuitenpriester befanden.
    Nun hatten die Engländer sich aber bereits jahrzehntelang mit der Frage herumgeschlagen, welchem ›wahren Glauben‹ das Kreuz mit all seinen Insignien der Macht zustand. Einige Jahre später sollten sie darüber sogar einen Bürgerkrieg anzetteln, und König Charles würde längst tot sein. Aber in einer Frage waren sich die Europäer schon immer einig - und sind es bis heute: Für sie gilt das Gesetz der Entdeckung. Wer ein Land entdeckt und dort seine Flagge aufpflanzt, dem gehört es! Wenn dort bereits Eingeborene leben, umso besser. Man bezeichnet sie einfach als Barbaren, dann kann man sie missionieren oder mit dem Segen der Kirche versklaven.«
    Mit dieser Geschichte war ich ebenfalls vertraut. Die Landnahmen, die Vertragsbrüche, die getöteten Indianersäuglinge, die Reservate, die Genozide, der Pfad der Tränen - indigene Völker und Eroberer auf Kreuzzügen würden sich nie verständigen können, dachte ich.
    Und doch sollte ich noch eine Überraschung erleben.

    »Um es kurz zu machen«, sagte Red Cedar, »die Piscataway wurden Katholiken, weil die Ursprüngliche Bestimmung sich in Einklang bringen ließ mit Mariä Himmelfahrt und Allerheiligen.«
    »Wie bitte?«, fragte ich und warf Key einen entnervten Blick zu.
    »Wissen Sie«, erklärte Red Cedar, »das Fest der Toten, an dem wir unsere Vorfahren ehren, wird genau in der Nacht vor Allerheiligen begangen. Aber wichtiger noch ist der 15. August, an dem nach dem katholischen Kalender die Himmelfahrt der Heiligen Jungfrau Maria gefeiert wird - das ist das Datum unserer Green Corn Ceremony , es steht für die ›erste Ernte‹, die den Beginn unseres neuen Jahres einleitet.«
    »Wenn ich richtig verstehe«, erwiderte ich, »wollen Sie mir sagen, dass die Piscataway zum katholischen Glauben übergetreten sind, weil sie ihre eigenen Bräuche aufrechterhalten konnten, wenn sie ein Lippenbekenntnis zur Herrschaft der offiziellen Kirche abgaben.«
    »Das stimmt nicht ganz«, entgegnete Key. »Du wirst es sehen, sobald wir zu den Begräbnisstätten kommen. Aber was Red Cedar sagen will - der Grund, aus dem du ihn und Tobacco Pouch treffen musstest, ohne von den Soldaten belästigt zu werden, liegt in der Ursprünglichen Bestimmung. Ich übergebe jetzt die Verantwortung - und zwar genau hier an dieser Stelle.«
    »Na wunderbar«, sagte ich wütend.
    Mittlerweile war ich ziemlich frustriert von der Richtung, die unser »Ausflug« nahm. Ich blieb stehen, weil wir uns am Anfang eines langen hölzernen Bohlenwegs

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