Die Bourne Intrige
ich in die Kämpfe zwischen Armee und Guerilla eingegriffen, und das war ein Kampf zwischen Faschismus und Sozialismus. Beide sind schwach und haben den Fehler, nur die Herrschaft über andere anzustreben.«
Das blaue Abendlicht von Sevilla verlieh ihm etwas Kühnes und Hungriges; er sah aus wie ein Wolf, der seine Beute im Blick hat.
»Dort hat man uns beigebracht, dass man ein Opfer am besten tötet, wenn es unbewaffnet ist und keinen großen Widerstand leisten kann. Das wäre dann wohl das perfekte Verbrechen. Verstehen Sie, was ich meine?«
Er musterte Bournes Gesicht wie mit einem Röntgenblick. »Ich bin mir sicher, dass Sie nicht von Nikolaj Jewsen oder von Dimitri Maslow, seinem stillen Partner, kommen. Woher ich das weiß? Ich weiß zwar fast nichts über Sie – auch nicht Ihren richtigen Namen, was das Unwichtigste an Ihnen ist –, aber eines steht für mich fest: Sie sind kein Mann, der sich von irgendjemandem anheuern lässt. Das sagt mir mein Instinkt – und der ist geschärft vom Blut meiner Feinde, denen ich in die Augen schaute, wenn ich ihnen die tödliche Kugel verpasste, Männer, deren Intelligenz nur dazu da war, Leute zu foltern.«
Bourne war wie elektrisiert. Dann waren Jewsen und Maslow also Partner. Er hatte Maslow vor einigen Monaten in Moskau getroffen, als der Mafiaboss mitten in einer Auseinandersetzung mit einem anderen Mafiaclan stand. Wenn er nun mit Jewsen zusammenarbeitete, dann konnte das nur bedeuten, dass er den Krieg gewonnen hatte und seine Macht konsolidierte. War es Maslow – und nicht Jewsen –, der hinter dem Attentat auf ihn stand?
»Ich verstehe«, sagte Bourne. »Sie haben keine Angst vor Jewsen oder Maslow.«
»Und sie interessieren mich auch nicht«, betonte Herrera. »Aber Sie interessieren mich. Warum sind Sie zu mir gekommen? Es geht Ihnen nicht um den Goya, und auch nicht um die Señorita drinnen, so schön und begehrenswert sie auch sein mag. Was wollen Sie dann?«
»Ein russischer Killer ist mir hierhergefolgt. Er hatte eine Narbe am Hals und eine Tätowierung mit drei Totenköpfen auf der anderen Seite.«
»Ah ja, Bogdan Maschin, besser bekannt als der Folterknecht.« Herrera tippte sich mit dem Zeigefinger auf die Unterlippe. »Dann haben Sie den Hundesohn gestern in der Maestranza getötet.« Er sah Bourne anerkennend an. »Ich bin beeindruckt. Maschins Weg ist mit Toten und Verstümmelten gepflastert.«
Bourne war seinerseits beeindruckt. Herrera hatte offenbar seine Augen überall. Bourne knöpfte sein Hemd auf und entblößte die Wunde an seiner Brust. »Er wollte mich auf Bali erschießen. Er kaufte ein Parker-Hale-Gewehr und ein Schmidt & Bender-Zielfernrohr bei Wayan. Es war Wayan, der mir Ihren Namen gab. Er sagte, Sie hätten ihn Maschin empfohlen.«
Herrera hob überrascht die Augenbrauen. »Sie müssen mir glauben – das wusste ich nicht.«
Bourne packte den Kolumbianer am Hemd und drückte ihn gegen die Verandatür. »Warum sollte ich Ihnen glauben?«, sagte er Herrera ins Gesicht. »Der Mann, der das Gewehr gekauft hat, konnte gar nicht Maschin sein, weil er nämlich graue Augen hatte.«
In diesem Augenblick erschien Fausto aus einer Tür nebenan, die Pistole auf Bourne gerichtet, der seinen Daumen in Herreras Kehlkopf drückte. »Ich will Sie nicht töten«, sagte Bourne, »aber ich will wissen, wer mich auf Bali umbringen wollte.«
»Fausto, wir sind doch zivilisierte Menschen hier«, sagte Herrera, während er Bourne in die Augen sah, »steck die Waffe weg.«
Als der junge Mann gehorchte, ließ Bourne den Kolumbianer los. In diesem Augenblick ging die Verandatür auf, und Tracy kam heraus. Sie blickte von einem zum anderen und fragte: »Was zum Teufel ist denn hier los?«
»Don Herrera möchte mir gerade sagen, was ich wissen will«, antwortete Bourne.
Ihr Blick ging zu dem Kolumbianer zurück. »Und der Goya?«
»Er gehört Ihnen – zum vereinbarten Preis«, antwortete Herrera.
»Ich würde Ihnen höchstens …«
»Señorita, strapazieren Sie meine Geduld nicht zu sehr. An dem Preis ist nicht zu rütteln, und da können Sie noch von Glück sagen nach dem, was Sie sich geleistet haben.«
Sie zog ihr Handy hervor. »Ich muss einen Anruf machen.«
»Aber sicher.« Herrera hob eine Hand. »Fausto, führ die Señorita an einen Platz, wo sie ungestört telefonieren kann.«
»Ich wäre lieber draußen«, erwiderte Tracy.
»Wie Sie wünschen.« Der Kolumbianer ging mit den beiden Männern hinein. Als Fausto die Tür
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