Die Bourne Intrige
beleidigten Ausdruck in seinem Gesicht. Warum glaubte sie nun zu wissen, wie sie diesen Augenblick zwischen ihnen zu interpretieren hatte? Weil ihr jetzt klar wurde, dass seine Reaktion, als sie Black River verließ, sehr persönlich war, wie die eines verschmähten Geliebten. Und konnte es nicht sein, dass ihre Entscheidung, eine Konkurrenzfirma zu Black River aufzumachen und ihnen einige der besten Leute abzuwerben, auch ein wenig damit zu tun hatte, dass sie es Noah heimzahlen wollte – eine kleine Rache dafür, dass er sich damals nicht um sie bemüht hatte, als die Möglichkeit im Raum stand? Plötzlich musste sie an ein Gespräch denken, das sie auf Bali mit Jason geführt hatte, an dem Abend, als sie allein im Pool waren. Als sie ihm erzählte, dass sie eine Konkurrenzfirma zu Black River starten wollte, warnte er sie; er meinte, sie würde sich Noah damit zum Feind machen – und er hatte Recht gehabt. Hatte er auch gewusst, was Noah für sie empfand? Und was hatte sie für Noah empfunden? Ich konnte es ihm nie recht machen. Schon ein halbes Jahr bevor ich von Black River wegging, habe ich aufgehört, mich zu bemühen. Es war sowieso sinnlos , hatte sie an dem Abend zu Jason gesagt. Was genau hatte sie damit gemeint? Wenn sie jetzt an ihre Worte zurückdachte, dann kam es ihr vor wie etwas, was eine verletzte Geliebte sagen würde.
Großer Gott, was hatten sie nur angerichtet, sie und Noah!
Langsam entwich der Zorn aus ihr wie die Luft aus einem löchrigen Reifen, ihr Griff lockerte sich, und sie sank zu Boden. Hätte sie nicht die Küchenschränke hinter sich gehabt, so hätte sie nicht einmal mehr sitzen können.
Sie hätte nicht sagen können, wie lange sie so auf dem Boden gesessen hatte, als sie plötzlich bemerkte, dass da jemand bei ihr in der Küche war. Es waren sogar zwei. Sie beugten sich zu ihr hinunter.
»Was ist passiert?«, fragte Bamber. »Ist alles in Ordnung?«
»Ich bin ausgerutscht und gestürzt, nicht schlimm.« Moiras Augen waren nun wieder ganz trocken.
»Ich hole Ihnen einen Brandy«, sagte Lamontierre und ging ins Wohnzimmer hinüber.
Bamber streckte ihr die Hand entgegen, doch sie wollte sich nicht aufhelfen lassen und stand allein auf. Lamontierre kam mit einem Kognakschwenker mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit zurück, und sie nahm sofort einen Schluck. Das Feuer breitete sich über die Kehle im ganzen Körper aus und ließ sie wieder richtig zu sich kommen.
»Mr. Lamontierre«, sagte sie, »danke für Ihre Gastfreundschaft, aber um ehrlich zu sein, ich muss dringend unter vier Augen mit Mr. Bamber sprechen.«
»Natürlich. Wenn Sie okay sind …«
»Mir fehlt nichts.«
»Sehr gut, dann gehe ich duschen. Ham, wenn du vorerst hierbleiben willst …« Er sah Moira kurz an. »Ihr könnt gern beide so lange bleiben, wie es notwendig ist.«
»Das ist äußerst großzügig von Ihnen«, sagte Moira.
»Nicht der Rede wert. Ich fürchte nur, ich habe keine frischen Kleider für Sie.«
Moira lachte. »Darum kann ich mich selbst kümmern, das ist kein Problem.«
»Na gut.« Lamontierre umarmte Bamber flüchtig und ließ die beiden allein.
»Er ist ein guter Typ«, meinte Moira.
»Ja, das ist er«, stimmte Bamber zu.
Ohne ein Wort zu sagen, kehrten sie ins Wohnzimmer zurück, wo sie sich erschöpft auf das Sofa sinken ließen.
»Wie geht’s jetzt weiter?«, begann Bamber.
»Sie müssen mir helfen herauszufinden, wofür Noah Perlis Ihr Programm einsetzt.«
»Wirklich?« Sein ganzer Körper schien zu erstarren. »Und wie soll ich das Ihrer Meinung nach machen?«
»Wie wär’s, wenn Sie sich in seinen Computer hacken?«
»Tolle Idee«, sagte er und rückte an den Rand des Sofas. »Nur leider unmöglich. Noah benutzt einen Laptop. Ich weiß es, weil ich ihm die neuesten Versionen von Bardem direkt auf diesen Laptop schicke.«
»Mist!« Wi-Fi-Netzwerke waren zwar im Allgemeinen recht löchrig, aber nicht das von Black River. Die Firma hatte ihr eigenes weltweites Netzwerk eingerichtet, das, soweit sie wusste, undurchdringlich war. Natürlich war kein Netzwerk wirklich hundertprozentig sicher, aber selbst eine Legion von Hackern würde wahrscheinlich Jahre brauchen, um dort hineinzukommen. Es sei denn …
»Moment«, sagte sie aufgeregt. »Wenn Sie einen Laptop mit der Wi-Fi-Verschlüsselung von Black River hätten – würde Ihnen das helfen?«
Bamber zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich, aber wie wollen Sie an die Verschlüsselung herankommen?«
»Ich war selbst
Weitere Kostenlose Bücher