Die Bourne Intrige
sich auf das Dach hinauf. Er kletterte auf das Kühlaggregat auf dem Führerhaus, von wo er einen Stützpfeiler an der Fassade des Hauses erreichte, über den er auf die Ebene des zurückgesetzten ersten Stockwerks gelangte. Er fand Halt in den Zwischenräumen zwischen den Betonplatten der Fassade, kletterte so bis zum Dach hinauf und schwang sich schließlich über die Brüstung auf den Fliesenboden des Dachgartens.
Im Gegensatz zur Architektur des Gebäudes selbst war der Garten ein feines Mosaik aus Farben und Formen, makellos gepflegt, duftend und vor der glühenden Sonne geschützt. Bourne verbarg sich hinter dem Gebüsch und atmete den Limonenduft ein, während er die ganze Anlage studierte. Außer ihm war niemand hier oben.
Zwei bauliche Details waren klug in den Garten integriert: die Tür nach unten ins Haus und ein Geräteschup pen für die Leute, die den Garten pflegten. Er ging zur Tür und sah, dass sie durch eine Alarmanlage gesichert war, die auf der Unterbrechung des Stromkreises beruhte. Sobald er die Tür öffnete, würde der Alarm losgehen.
Er holte sich eine Gartenschere und eine Abisolierzange aus dem Geräteschuppen und ging damit zur Brüstung zurück. Dort, in dem Spalt zwischen Mauer und Fliesenboden, fand er die Kabel, über die die Lampen im §Garten mit Strom versorgt wurden. Mit der Gartenschere schnitt er ein zwei Meter langes Kabelstück heraus. Während er zur Tür zurückging, entfernte er die Isolierung an beiden Enden.
An der Tür tastete er oben nach dem Draht der Alarmanlage, entfernte an zwei Stellen die Isolierung und befestigte die freien Drahtenden des Kabels, das er zuvor abgeschnitten hatte, an dem Draht der Alarmanlage. Als er sicher war, dass die Drähte ordentlich verbunden waren, kappte er das Kabel der Alarmanlage in dem Abschnitt zwischen den Verbindungsstellen.
Vorsichtig öffnete er die Tür gerade weit genug, um durchschlüpfen zu können. Der kleine Basteltrick funktionierte; die Alarmanlage blieb stumm. Er stieg über die steile Treppe in den zweiten Stock des Hauses hinunter. Als Erstes musste er Arkadin finden, den Mann, der ihn hierhergelockt hatte, um ihn zu töten. Danach würde er Tracy suchen, um mit ihr von hier zu verschwinden.
Tracy stand am Fenster und blickte auf die chaotische Straße hinaus, als sie die Tür hinter sich aufgehen hörte. Sie nahm an, dass es Noah war, und drehte sich um, doch vor ihr stand ein Mann mit kahlrasiertem Kopf, Spitzbart, einem diamantbesetzten Ring im Ohr und einer Tätowierung am Hals, die eine Fledermaus mit Vampirzähnen zeigte. Mit seinen breiten Schultern, der Tonnenbrust und den dicken Beinen sah er aus wie ein Ringer oder einer von diesen amerikanischen Wrestlern, die sie im Fernsehen gesehen hatte.
»Sie haben mir also meinen Goya gebracht«, sagte der Tätowierte und schlenderte zum Tisch, wo das Gemälde in seiner ganzen grotesken Größe lag. Er hatte diesen breitbeinigen Gang, wie man ihn nur bei Muskelprotzen und Matrosen sieht.
»Das gehört Noah«, sagte Tracy.
»Nein, meine liebe Miss Atherton, es gehört mir«, erwiderte der Mann mit seiner rauen Stimme in stark akzentuiertem Englisch. »Perlis hat es nur für mich gekauft.« Er hielt das Bild vor sich hoch. »Das ist mein Honorar.« Er lachte, doch es klang wie das Röcheln eines Sterbenden. »Ein einzigartiges Honorar für einzigartige Dienstleistungen.«
»Sie kennen meinen Namen«, sagte sie und trat an den Tisch mit seinen vollen Tellern und Glasschüsseln, »aber ich kenne den Ihren nicht.«
»Sind Sie sicher, dass Sie ihn wissen wollen?«, fragte er, ohne sich von dem Bild abzuwenden, das er mit Kennerblick begutachtete. Und dann, ohne ihr Zeit für eine Antwort zu lassen, fügte er hinzu: »Also gut, ich bin Nikolaj Jewsen. Vielleicht haben Sie von mir gehört, mir gehört Air Africa, und dieses Haus.«
»Ehrlich gesagt habe ich weder von Ihnen noch von Air Africa gehört. Mein Metier ist die Kunst.«
»Ach ja?« Jewsen legte den Goya zurück auf den Tisch und sah sie an. »Was haben Sie dann mit Jason Bourne zu tun?«
»Jason Bourne?« Sie runzelte die Stirn. »Wer ist Jason Bourne?«
»Der Mann, mit dem Sie hergekommen sind.«
Ihr Stirnrunzeln wurde noch tiefer. »Wovon reden Sie? Ich bin allein gekommen. Noah kann das bestätigen.«
»Perlis ist gerade beschäftigt, er verhört Ihren Freund Mr. Bourne.«
»Ich weiß nicht …« Der Rest blieb ihr im Hals stecken, als sie eine Fünfundvierziger in seiner linken Hand
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