Die Bourne Intrige
Sie Platz.« Oliver Liss sah nicht nur aus wie ein Filmstar, er klang auch so. Seine tiefe wohlklingende Stimme strahlte eine kontrollierte Kraft aus. »Ich habe mir erlaubt, Drinks für Sie zu bestellen.« Er hob sein hohes Glas, während zwei andere vor Marks und Willard gestellt wurden. »Das ist Chai-Eistee mit Zimt und Muskat.« Er nahm einen Schluck. »Man sagt, dass Muskatnuss in hohen Dosen eine bewusstseinsverändernde Wirkung hat.« Sein Lächeln ließ vermuten, dass er es selbst erfolgreich ausprobiert hatte.
So wie überhaupt alles an Oliver Liss irgendwie Erfolg ausstrahlte. Schließlich hatte er Black River zusammen mit seinen beiden Partnern nicht bloß mit einem Haufen Geld und viel Glück aufgebaut. Während Marks an seinem Drink nippte, hatte er ein Gefühl, als würden sich giftige Vipern durch seinen Bauch schlängeln. Im Stillen verfluchte er Willard, weil er ihn nicht auf das Treffen vorbereitet hatte. Er versuchte sich an alles zu erinnern, was er über Oliver Liss gelesen oder gehört hatte, und stellte zu seiner Bestürzung fest, dass es verdammt wenig war. Das lag zum einen daran, dass sich der Mann stets im Hintergrund hielt; einer seiner Partner, Kerry Mangold, vertrat Black River in der Öffentlichkeit. Zum anderen aber war tatsächlich nur wenig über ihn bekannt. Marks erinnerte sich, dass er einmal nach ihm gegoogelt hatte und auf einen verblüffend kurzen Lebenslauf gestoßen war. Liss war offenbar als Waisenkind bei verschiedenen Pflegeeltern in Chicago aufgewachsen, bis er mit achtzehn seinen ersten Fulltime-Job bei einer Baufirma annahm. Der Firmeninhaber verfügte offenbar über beste Verbindungen zur politischen Elite, denn es dauerte nicht lange, bis Liss im Wahlkampfteam des hiesigen Senators mitarbeitete, dem der Bauunternehmer ein nobles Haus in Highland Park gebaut hatte. Als der Mann gewählt wurde, nahm er Liss mit nach Washington, und der Rest war, wie es so schön hieß, Geschichte. Liss war unverheiratet und hatte keine bekannten familiären Verbindungen irgendwelcher Art. Kurz gesagt, er lebte wie hinter einem Bleivorhang, den nicht einmal das Internet durchdringen konnte.
Marks bemühte sich, nicht zusammenzuzucken, als er seinen Eistee trank; er war überzeugter Kaffeetrinker und hasste Tee jedweder Art, vor allem solchen, der wie irgendetwas anderes aussah. Dieser Tee schmeckte zum Beispiel wie Wasser aus dem Ganges.
Jemand anders hätte vielleicht gesagt: Schmeckt er Ihnen?, um das Eis zu brechen, doch Liss war offensichtlich nicht daran interessiert, das Eis zu brechen oder höfliche Konversation zu machen. Stattdessen richtete er seine Augen, die den gleichen blauen Farbton hatten wie seine Krawatte, auf Marks und sagte: »Willard hat mir viel Gutes über Sie erzählt. Stimmt das alles?«
»Willard lügt nie«, antwortete Marks.
Der Hauch eines Lächelns trat auf Liss’ Lippen. Er schlürfte weiter seinen schauderhaften Tee, ohne den Blick von ihm zu wenden. Er schien nie blinzeln zu müssen, eine beunruhigende Eigenschaft, vor allem bei jemandem in seiner Position.
Wenige Augenblicke später kam das Essen. Liss hatte offenbar nicht nur Getränke für sie bestellt, sondern auch ein Frühstück. Es bestand aus frischen Maistortillas und Rührei mit Paprikaschoten und Zwiebel, das Ganze mit einer Chilisauce getränkt, die Marks schier den Mund verbrannte. Den ersten unvorsichtigen Bissen schluckte er schnell hinunter und stopfte sich Tortillas und Sauerrahm in den Mund, um den Brand zu löschen. Mit Wasser hätte sich das Feuer nur weiter in ihm ausgebreitet.
Freundlicherweise wartete Liss, bis Marks’ Augen aufhörten zu tränen. »Sie haben völlig Recht mit dem, was Sie über Willard sagen. Seine Freunde belügt er nicht«, sagte er, so als hätte es keine Pause in ihrem Gespräch gegeben. »Was andere Leute betrifft – nun, da erscheinen seine Lügen immer wie die reine Wahrheit.«
Falls Willard sich geschmeichelt fühlte, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Er begnügte sich damit, sein Frühstück so langsam und gelassen zu verzehren wie ein Priester, mit einem Gesichtsausdruck, so unergründlich wie der einer Sphinx.
»Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht«, fuhr Liss fort, »dann erzählen Sie mir doch ein bisschen über sich.«
»Sie meinen über das, was ich bisher gemacht habe?«
Liss lächelte und entblößte seine Zähne. »Erzählen Sie mir etwas, was ich noch nicht weiß.«
Er meinte offenbar etwas Persönliches – und in
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