Die Bräute des Satans
es mir leichter, dem Ansturm Luzifers zu trotzen.
Wisse denn, mein Sohn, dass sich just am heutigen Tage in diesem Kloster ein abscheulicher Mord ereignet hat. Da unser Abt auf dem Reichstage zu Konstanz weilt und Bruder Adalbrand, der Prior, nach einem Fieber noch nicht recht bei Kräften ist, obliegt es mir, sobald als möglich Ordnung zu schaffen und den Schuldigen seiner gerechten Strafe zuzuführen. Als sei dies noch nicht genug, ist vor ein paar Stunden wie aus dem Nichts einer meiner schärfsten Widersacher aufgetaucht. Besagter Remigius von Otranto, seines Zeichens Großinquisitor des Dominikanerordens, hat es sich zum Ziel gesetzt, mich zu vernichten, eines Zwistes wegen, der schon viele Jahre zurückliegt. Das Mittel, mit dem er dies zu bewerkstelligen versucht, ist meine Vaterschaft, wobei Du und ich wissen, dass der Leib deiner Mutter lange vor meinem Eintritt in den Orden fruchtbar geworden ist. Wie Du Dir denken kannst, werden mir meine Mitbrüder beziehungsweise unser Abt diese Version möglicherweise nicht abnehmen, mich unter Umständen sogar aus ihrer Mitte verbannen. Und genau das ist es, was Remigius bezweckt: Rache zu nehmen für die vermeintliche Schmach, welche ich ihm vor Jahren zugefügt habe.
Um mir seine Großmut zu demonstrieren, hat er mir indessen eine letzte Frist eingeräumt. Sollte ich sie ungenutzt verstreichen lassen, wird er während des morgigen Kapitels in aller Öffentlichkeit über die Bande berichten, welche zwischen Dir und mir bestehen. Gelingt es mir bis dahin nicht, ihn zu desavouieren beziehungsweise den Mord an Bruder Severus aufzuklären, werden die Konsequenzen für mich unabsehbar sein.
Doch was immer geschieht, mein Sohn, ich werde Deiner stets mit Liebe gedenken, sollte ich auch für das, was man mir wohl kaum zum Vorwurf machen kann, zur Verantwortung gezogen werden.
So lebe denn wohl und sei allzeit umarmt, auf dass wir uns dereinst wiedersehen.
Hilpert, Dein Vater‹
Vor der Vesper
[Spital, 14:40 h]
Worin Marsilius von Paderborn , der Infirmarius, mit Bruder Hilpert eine folgenreiche Unterhaltung führt.
Über einen Mangel an Beschäftigung konnte sich Bruder Marsilius, der Infirmarius, wahrhaftig nicht beschweren. Und das, wie er zu seinem Bedauern konstatierte, ausgerechnet am Tag des Herrn.
Der Abt auf Reisen, der Prior bettlägerig, der Bursarius dahingeschlachtet wie ein Stück Vieh. Und dann noch der Novize Alanus, den er halb tot auf der Latrine gefunden hatte. Der Jüngling konnte von Glück sagen, dass er im richtigen Moment zur Stelle gewesen war. Eine Viertelstunde später, und jede Hilfe wäre zu spät gekommen.
Das allein war jedoch nicht das Problem. Bruder Marsilius wusch sich die Hände, trocknete sie ab und rollte die Leinenbinden zusammen, mit denen er den Arm des Novizen bandagiert hatte. Dann wandte er sich wieder seinem Patienten zu. »Und du willst uns wirklich nicht sagen, wer es war?«, fragte er.
Alanus schüttelte den Kopf. Er hatte Mühe, sich aufrecht zu halten, und der Schemel, auf dem er saß, geriet ins Wanken. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so elend gefühlt. Und allen Grund, mit der Wahrheit nicht länger hinterm Berg zu halten. Doch die Furcht vor seinen Peinigern, die ganze Arbeit geleistet hatten, saß tief.
»Nichts für ungut, Infirmarius«, schaltete sich der Novizenmeister, der bislang geschwiegen hatte, in das Gespräch mit ein. »Ich kann mir ohnehin denken, wer dahintersteckt.«
»Und wer?« Bruder Hilpert, Dritter im Bunde, wirkte ausgesprochen besorgt, wenngleich mit den Gedanken nicht bei der Sache. »Nur keine Scheu, Bruder Cyprianus – das Ganze bleibt unter uns.«
»Das weiß ich.« Selten um eine Antwort verlegen, tat sich Bruder Cyprianus dieses Mal schwer. Kaum älter als seine Schüler, kratzte sich der hagere Elsässer an der Stirn und dachte nach. Der Respekt vor Bruder Hilpert, dem weithin berühmten Gelehrten, saß tief, und er überlegte sich jedes seiner Worte genau. »Wenn Ihr erlaubt, Bruder, möchte ich die Bitte äußern, die Angelegenheit selbst regeln zu dürfen«, rückte er schließlich mit seinem Ansinnen heraus.
Bruder Hilpert und der Infirmarius tauschten einen überraschten Blick. »Sie sei Euch gewährt«, erwiderte der Bibliothekarius, ging auf Alanus zu und ließ die Hand auf seiner Schulter ruhen. »Allerdings unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Dass Ihr unserem Patienten fortan nicht mehr von der Seite weicht«, entgegnete Bruder
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