Die Bräute des Satans
mokierte sich über die Naivität seiner Brüder, welche aufgeregt schwatzend zum Tor hinausströmten.
Auf die Idee, sich selbst der Naivität zu bezichtigen, kam er indes nicht.
Nach der Komplet
[Schafhof, 17:15 h]
Worin der Mörder von Bruder Severus eine weitere ruchlose Tat begeht.
Sie war dreiundfünfzig, hatte Gicht und das Leben, in dem ihr nichts geschenkt worden war, gründlich satt. Anno 76, als zwölfjähriges Mädchen, war sie Dienstmagd auf dem Schafhof geworden. Und war es geblieben. Bettelarm, verbittert und mutterseelenallein. Sie konnte einfach nicht mehr, nach über vierzig Jahren Plackerei kein Wunder.
Mit ein bisschen Glück hätte jedoch alles ganz anders werden können. Aber da sie der Mann, den sie geliebt hatte, einfach sitzen ließ, war aus ihrem Traum von einem bescheidenen Glück nichts geworden. Kein Mann, keine Familie. Keine Familie, kein Lebensglück. So einfach war das. Sie war fünfundzwanzig gewesen damals, zutiefst enttäuscht, fertig mit allem, was nach Mann aussah. Und war binnen weniger Jahre zur alten Frau geworden, die auf dem Schafhof ihr Gnadenbrot fristete. Je älter sie wurde, umso schwerer die Schinderei. Die Fratres drüben im Kloster, ja, die hatten es gut. Die waren den ganzen Tag über am Beten, Lesen und Schreiben. Woher das Pergament kam, auf das sie schrieben, wussten sie zwar, wie viel Mühe es kostete, es herzustellen, dagegen kaum. An die vierhundert Schafhäute, mitunter sogar mehr, waren nötig, um einen einzigen Kodex herzustellen. Und das war längst noch nicht alles. Die Schafe mussten geschoren und geschlachtet, ihre Haut abgezogen, gegerbt und anschließend in einen Holzrahmen gespannt werden. Erst wenn das letzte Härchen entfernt, die Haut geglättet und in Stücke geschnitten war, taugte sie zum Schreiben. Mit einem Wort: eine Schinderei, um die sie niemand beneidete. Von morgens bis abends, tagein, tagaus. Und das mehr als vier Jahrzehnte lang.
Leise ächzend, erhob sich Els, mit vollem Namen Elisabeth, von ihrem Schemel, umklammerte ihren Gehstock und humpelte auf die Feuerstelle in der Küche des Gesindehauses zu. Zu alt, um bei der Suche nach Mechthild von Nutzen zu sein, hatte sie sich dorthin verkrochen, wo es am wärmsten war. Der Winter stand vor der Tür, und es sah danach aus, als würde er streng werden. Nebel, Nebel und nochmals Nebel. Und das den lieben langen Tag. Els stieß einen lauten Seufzer aus, nahm eine Handvoll Torf, Reisig und getrockneten Kuhmist und warf alles nacheinander ins Feuer. Dann rührte sie die Graupensuppe um, welche in dem Kupferkessel unter dem Rauchabzug vor sich hinbrodelte. Ein karges Mal, aber eines, von dem man wenigstens halbwegs satt wurde.
Was waren das doch für Zeiten, als sie noch jung gewesen war. Und so verliebt in Amalrich. Während sich Els wieder setzte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, und wenigstens in diesem Moment war ihre Gicht vergessen. Amalrich, ein stattlicher, überdies ausgesprochen tüchtiger Mann. Der erste in ihrem Leben. Und zugleich der letzte. Das Lächeln der Dienstmagd verflog, und tief sitzender Groll loderte in ihr empor. Wäre diese Walpurgis nicht gewesen, die ihn ihr weggeschnappt hatte, wäre ihr Traum von Haus, Hof und Kindern Wirklichkeit geworden. Diese sommersprossige Hexe, die ihn mit ihrem Liebestrunk verzaubert hatte. Ja, genau, so war es gewesen. Wie sonst wäre Amalrich auf die Idee gekommen, dieser Metze hinterherzulaufen?
Els griff nach ihrem Gehstock, verschränkte die knotigen Hände und bettete ihr Kinn darauf. Metze hin oder her – für das, was sie angerichtet hatte, war Walpurgis die Quittung präsentiert worden. Zugegeben, sie hatte ein wenig nachhelfen müssen. Aber dann, genau eine Woche nach dem Tag der heiligen Walpurgis, war die Stunde ihrer Rache gekommen. Das alles war zwar schon lange her, doch selbst jetzt, da sie mit schmerzenden Gliedmaßen vor dem Feuer hockte, war die Genugtuung in ihr immer noch präsent.
Wie immer, wenn Els an damals dachte, verlor die Gegenwart ihre Bedeutung für sie. Das Knistern des Feuers hatte etwas Einschläferndes an sich, und so geschah es, dass sie die Gestalt mit dem dunklen Umhang zunächst nicht bemerkte. Sie nahm sie erst dann wahr, als sich der Chorbruder die Hände wärmte, neben sie setzte und mit ernster Miene dem Feuer zuwandte. Da Els ihn gut kannte, war sie alles andere als überrascht, überließ ihn noch eine Weile seinen Gedanken und wartete, bis er das Gespräch
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